Forderung nach Reisebann für Russen: Kreml empört sich über Selenskyjs „Launen“

Der ukrainische Präsident will mit einem Reiseverbot unterbinden, dass Russland die besetzten Gebiete der Ostukraine zeitnah annektiert. Der Kreml reagiert empört.

Dmitri Medwedew bezeichnet Selenskyj als „größten ukrainischen Clown“.
Dmitri Medwedew bezeichnet Selenskyj als „größten ukrainischen Clown“.AP/Pool Sputnik Kremlin/Alexei Nikolsky

Die ukrainische Forderung nach einem internationalen Reisebann für alle Russen hat in Moskau heftige Kritik ausgelöst. Die Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien „äußerst negativ“ aufgenommen worden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. „Die Irrationalität des Gedankengangs übersteigt jedes Maß“, kritisierte er. Jeder Versuch, Russen oder Russland zu isolieren, sei aussichtslos. „Europa wird sich früher oder später fragen, ob Selenskyj alles richtig macht und ob seine Bürger für dessen Launen zahlen sollten.“

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew beschimpfte Selenskyj auf Twitter als „größten ukrainischen Clown“ – und verglich ihn sogar mit NS-Diktator Adolf Hitler. Medwedew fällt seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer wieder mit abfälligen Bemerkungen über das Nachbarland auf. So stellte er in der Vergangenheit etwa das Fortbestehen der Ukraine als souveräner Staat infrage. Immer wieder rechtfertigt Moskau seinen schon fast ein halbes Jahr dauernden Angriffskrieg mit einer angeblichen „Befreiung“ des Nachbarlandes von Nationalsozialisten – was auch deshalb für besondere Empörung sorgt, weil Selenskyj jüdischer Abstammung ist.

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Mit Blick auf russische Besatzungsverwaltungen in eroberten ukrainischen Gebieten hatte Selenskyj der US-Zeitung Washington Post am Montag in einem Interview gesagt: „Die wichtigsten Sanktionen sind es, die Grenzen zu schließen, denn die Russen nehmen anderen ihr Land weg.“ Die Russinnen und Russen sollten unabhängig von ihrer politischen Einstellung „in ihrer eigenen Welt leben, bis sie ihre Philosophie ändern“, so Selenskyj.

Medwedew wirft Kallas „Nazi“-Äußerungen vor

In der EU wird ein Erschweren oder eine völlige Einstellung der Vergabe von Touristenvisa an Russen diskutiert. Die baltischen Staaten etwa vergeben bereits jetzt nur noch in Ausnahmen Visa an russische Staatsbürger. Finnland erwägt ebenfalls eine Verschärfung der Regelungen, fordert aber eine Lösung für den ganzen Schengenraum. Auch Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas forderte am Dienstag auf Twitter die europäischen Länder auf, keine Touristenvisa mehr für Russen auszustellen. Daraufhin warf Medwedew ihr „Nazi“-Äußerungen vor.

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Dienstag, dass die EU-Staaten in ihrem nationalen Recht großen Spielraum hätten, die Vergabe von Langzeitvisa einzuschränken oder auszusetzen. Der Visakodex für den Schengenraum sehe jedoch nicht die Möglichkeit vor, die Vergaben von Kurzzeitvisa komplett einzustellen. Es werde immer Kategorien von Menschen geben, denen ein Visum gewährt werden müsse, etwa in humanitären Fällen oder wenn die Antragsteller Journalisten, Familienmitglieder oder Dissidenten seien.