Um Gasimporteure zu stützen, müssen Kunden in Deutschland ab dem Herbst deutlich mehr für ihr Gas bezahlen. Die Höhe der staatlichen Gasumlage wird bei 2,419 Cent pro Kilowattstunde liegen. Das teilte die Firma Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland, am Montag in Ratingen mit. Mit der Umlage werden erhöhte Beschaffungskosten von Importeuren an die Kunden weitergegeben.
Bei einem Haushalt mit Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden betragen die Mehrkosten demnach rund 484 Euro im Jahr. Dazu kommt noch die Mehrwertsteuer. Die Bundesregierung will allerdings verhindern, dass diese fällig wird.
Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Die Umlage gilt ab Anfang Oktober. Sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Ministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen auftauchen.
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Das Wirtschaftsministerium sieht die Umlage als Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Dieser habe die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Russland habe seit Mitte Juni seine Gasimportmengen nach Deutschland in unberechenbarer Weise reduziert, damit eine künstliche Energieknappheit geschaffen und die Preise in die Höhe getrieben. Dieser „externe Schock“ treffe Deutschland besonders, das bislang stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war. Viele Gaslieferungen aus Russland, die bisher vertraglich zugesichert waren, fielen weg.
Sorge vor Firmenpleiten wuchs zuletzt
Gasimporteure aber haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden.
Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart - und im Zuge dessen auch die Gasumlage. Diese kommt zusätzlich zu marktbedingten Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen.
Bundesregierung plant Entlastungen für Bürger
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten, damit Deutschland auf die geplante staatliche Gasumlage keine Mehrwertsteuer erheben muss. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der stark gestiegenen Energiepreise zusätzliche Entlastungen zugesichert. Es werde niemand alleine gelassen.
Die Bundesregierung sehe, „dass da erhebliche Mehrbelastungen auf die Menschen in diesem Land zukommen werden“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe „immer deutlich gemacht, dass mit der Umlage auch Entlastungen kommen werden“. Wenn die Umlage am 1. Oktober tatsächlich fällig werde, dann würden auch weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger bereit sein.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat scharf kritisiert, dass die Bundesregierung parallel zur Bekanntgabe der Gasumlage kein Entlastungsprogramm vorgestellt hat. „Die Gasumlagebelastung ohne gleichzeitiges Entlastungsprogramm zu präsentieren, ist respektlos“, sagte Dobrindt am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Linke ruft zu Protest gegen Gasumlage auf
Die Linke ruft Bürger zu Demonstrationen gegen die geplante Gasumlage auf die Straße. „Ich hatte Ihnen ja einen heißen Herbst der sozialen Proteste gegen die soziale Kälte der Bundesregierung angekündigt“, sagte Parteichef Martin Schirdewan am Montag in Berlin. Weil sich die Bundesregierung für einen unsozialen Kurs entschieden habe, „werden wir diesen Protest mit unterstützen, werden ihn da, wo wir können, auch mit organisieren“.
Zuvor hatte der Ostbeauftragte der Linksfraktion, Sören Pellmann, die Bürger in den ostdeutschen Ländern zu neuen Montagsdemos aufgerufen. Die Gasumlage sei ein „Schlag gegen den Osten“, weil dort Einkommen und Rücklagen geringer seien. „Die Menschen sollten sich wehren“, forderte Pellmann. „Wir brauchen neue Montagsdemos im Osten wie damals gegen Hartz IV.“
Stahlindustrie rechnet mit 500 Millionen Euro Zusatzkosten
Die deutsche Stahlindustrie rechnet wegen der Gasumlage mit Zusatzkosten in Höhe von 500 Millionen Euro jährlich. Die Umlage vergrößere den bereits durch die extremen Preissteigerungen auf den Energiemärkten bestehenden Kostendruck auf die Stahlindustrie weiter erheblich, erklärte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, am Montag in Berlin. Bereits ohne Gasumlage würden die erheblichen Energiepreissteigerungen für die Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr zu Mehrkosten von rund sieben Milliarden Euro führen. Die Bundesregierung müsse dringend Wege finden, die Kosten durch die Gasumlage zu begrenzen.
Nach Angaben des Branchenverbandes wird Erdgas in der Stahlproduktion zur Erzeugung von Prozesswärme benötigt. Die Stahlindustrie in Deutschland nutzt rund zwei Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich. Das entspreche in etwa dem Verbrauch privater Haushalte in Berlin und München zusammen.
