USA werfen Russland „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor

Die Vizepräsidentin Harris prangert „systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung“ an. Auch würde Russland foltern, erklärte sie. 

Ukrainische Soldaten in einem Außenbezirk von Kiew helfen einer fliehenden Familie bei der Suche nach einem Fahrzeug. Die US-Regierung geht davon aus, dass russische Soldaten in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen. 
Ukrainische Soldaten in einem Außenbezirk von Kiew helfen einer fliehenden Familie bei der Suche nach einem Fahrzeug. Die US-Regierung geht davon aus, dass russische Soldaten in der Ukraine Kriegsverbrechen begehen. Emilio Morenatti/AP

US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat Russland „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Ukraine-Krieg vorgeworfen. Russische Truppen in der Ukraine begingen „weit verbreitete und systematische Angriffe auf die Zivilbevölkerung“, sagte Harris am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Es handle sich um einen „Angriff auf unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Menschlichkeit“. Es ist das erste Mal, dass die USA Russland Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Krieg vorwerfen.

Dazu gehörten „grausame Morde“, die „hinrichtungsartige“ Tötung von Männern, Frauen und Kindern, die Folter von Zivilisten mit Prügeln und Stromschlägen sowie die Deportation ukrainischer Zivilisten nach Russland, sagte die Vizepräsidentin. „Wir haben die Beweisstücke untersucht, wir kennen die Rechtsnormen und es gibt keinen Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, betonte die Vizepräsidentin, eine frühere Staatsanwältin.

Harris will Täter zur Verantwortung ziehen

An die Täter und ihre Vorgesetzten gewandt sagte Harris: „Ihr werdet zur Verantwortung gezogen. Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden.“ Die USA haben nach Angaben des Außenministeriums in Washington seit Kriegsbeginn mehr als 30.600 von russischen Soldaten in der Ukraine begangene Fälle von Kriegsverbrechen dokumentiert.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßte die Haltung der US-Regierung. Russland führe einen „völkermordenden Krieg“ gegen die Ukraine, in dessen Zuge die russische Armee Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und zahlreiche weitere Gräueltaten begehe, sagte er in München. Allerdings sei es schwierig, den einzelnen Verantwortlichen ihre Taten nachzuweisen.

Baerbock spricht auch von Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, bei der Unterstützung der Ukraine gehe es „auch um Recht und Gerechtigkeit“. Dabei gehe es um die Verfolgung „der schlimmsten Verbrechen, die man sich vorstellen kann: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression“. Den Opfern müsse in den Vereinten Nationen eine starke Stimme gegeben werden.

Experten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ermitteln in der Ukraine bereits seit Monaten zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, etwa wegen der mutmaßlich russischen Massaker an Zivilisten in Butscha bei Kiew. EU-Angaben zufolge waren Ende Januar bereits insgesamt 65.000 Hinweise auf mögliche Kriegsverbrechen in der Ukraine zusammengekommen.

Von der Leyen verlangt ein Sondertribunal

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Vorschlag eingebracht, ein Sondertribunal einzurichten, um die russischen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Baerbock hatte bei einer Rede im Januar in Den Haag ein neuartiges „Sondertribunal für das Aggressionsverbrechen gegen die Ukraine“ vorgeschlagen. Das Gericht soll demnach seine Rechtsprechung aus dem ukrainischen Strafrecht ableiten. Dieses könnte um „internationale Elemente“ ergänzt werden und außerhalb der Ukraine tagen. Baerbocks Vorschlag war bei den EU-Justizministern auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Ein Sondertribunal unter ukrainischem Recht wie von Baerbock gefordert könnte ausgerechnet die Hauptverantwortlichen für den Angriffskrieg wegen ihrer Immunität voraussichtlich nicht belangen. Für ein internationales Tribunal gibt es allerdings hohe Hürden: Entweder müsste der UN-Sicherheitsrat zustimmen, wo Russland ein Vetorecht hat – oder es müsste in der UN-Vollversammlung eine Zweidrittel-Mehrheit geben.