UN-Ermittler: Verschleppung ukrainischer Kinder ist Kriegsverbrechen

Laut ukrainischer Regierung wurden seit Kriegsbeginn mehr als 16.000 ukrainische Kinder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt.

Zwei Kinder schaukeln vor einem durch russische Militärangriffe zerstörtes Wohngebäude in Kiew. Russland soll tausende ukrainische Kinder verschleppt haben.
Zwei Kinder schaukeln vor einem durch russische Militärangriffe zerstörtes Wohngebäude in Kiew. Russland soll tausende ukrainische Kinder verschleppt haben.kyodo/dpa

Der zwangsweise Transfer ukrainischer Kinder nach Russland oder in von Russland kontrollierte Gebiete der Ukraine stellt nach Einschätzung von UN-Ermittlern ein Kriegsverbrechen dar. Die Deportation von Kindern im großen Stil „verstößt gegen internationales humanitäres Recht und kommt einem Kriegsverbrechen gleich“, erklärte ein hochrangiges Ermittlerteam der Vereinten Nationen in einem am Donnerstag in Genf vorgelegten Bericht. Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt.

Das vom UN-Menschenrechtsrat zusammengestellte Ermittlerteam verwies auf Hinweise, wonach russische Behörden ukrainische Kinder in Kinderheimen oder Pflegefamilien unterbringen und ihnen die russische Staatsbürgerschaft verleihen. Unter anderem habe der russische Präsident Wladimir Putin einen Erlass unterzeichnet, wonach Kinder unter bestimmten Bedingen in vereinfachtem Verfahren russische Staatsbürger werden können.

US-Studie: 6000 ukrainische Kinder verschleppt

Die Experten untersuchten nach eigenen Angaben detailliert einen Fall, in dem 164 Kinder und Jugendliche zwischen vier und 18 Jahren aus den ukrainischen Regionen Donezk, Charkiw und Cherson deportiert wurden. Den Eltern und den Kindern selbst sei von den russischen Sozialbehörden mitgeteilt worden, dass die Kinder in Pflegefamilien kommen oder adoptiert werden sollten. Die Kinder hätten Furcht gehabt, dauerhaft von ihren Familien getrennt zu werden.

Einer US-Studie zufolge hat Russland mindestens 6000 ukrainische Kinder in sogenannte Umerziehungslager verschleppt. Kinder schon ab einem Alter von vier Monaten seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp einem Jahr in russische Lager gebracht worden, heißt es in den Untersuchungen des Yale Humanitarian Research Labs.

Laut einem Bericht des ZDF-Magazins „frontal“ ist die internationale Hilfsorganisation SOS-Kinderdörfer in Russland in die Verschleppungen verstrickt. Ukrainische Kinder sollen in die Siedlung Tomolino nahe Moskau gebracht worden sein. 

Der Expertenbericht zählt zahlreiche weitere von den russischen Truppen in der Ukraine begangene mutmaßliche Kriegsverbrechen auf, darunter weit verbreitete Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur, Folter und Vergewaltigung.