Die Europäische Union hat sich mit ihren Russland-Sanktionen nach Ansicht des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán nicht nur ins Knie, „sondern in die Lunge“ geschossen. In einer Radioansprache forderte der nationalistische Ministerpräsident Brüssel am Freitag auf, die Politik gegenüber Moskau zu ändern.
„Zuerst habe ich noch gedacht, wir haben uns ins Knie geschossen. Aber die europäische Wirtschaft hat sich selbst in die Lunge geschlossen und ringt nun nach Luft“, sagte Orbán. „Es gibt Länder, die sind überzeugt von der Sanktionspolitik, aber Brüssel muss eingestehen, dass dies ein Fehler war.“ Die Sanktionen hätten nicht den erwünschten Erfolg gehabt „und sogar den gegenteiligen Effekt“ ausgelöst.
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Orbán ist vor allem Kritiker des Ölembargos gegen Russland. Dieses hatte die EU im Juni nach wochenlangem Widerstand Ungarns beschlossen, auf Drängen Orbáns wurde dabei eine Ausnahme für per Pipeline geliefertes Öl gemacht.
Verhalten Ungarns ruft Unverständnis bei anderen EU-Staaten hervor
Ungarn ist das einzige EU-Nachbarland, das sich weigert, Waffenlieferungen für die Ukraine und deren Kampf gegen den russischen Angriffskrieg durchzuleiten. Orbán und seine Regierung lehnen die Waffenlieferungen ab, weil sie laut eigenen Angaben eine Konfrontation mit Russland fürchten.
Bei den Verhandlungen zu den Russland-Sanktionen auf einem EU-Gipfel Anfang Juni hatte Orbán neben den Ausnahmeregelungen für russisches Öl auch Ausnahmen für den Patriarchen Kyrill I., dem Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche durchgesetzt.
Mehrere EU-Staaten, allen voran den Mitgliedern der sogenannten Visegrád-Gruppe, Polen, Tschechien und die Slowakei, sehen das Verhalten Ungarns daher zunehmend kritisch. Orbán hatte zudem Anfang Februar Moskau besucht und war von Wladimir Putin empfangen worden.