Virologe Kekulé: Diese Strategie hilft gegen Omikron
Die bisherigen Maßnahmen seien nicht ausreichend, einen harten Lockdown aber hält Alexander Kekulé für nicht mehr verhältnismäßig.

Berlin-Der Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé schätzt die Gefahr durch die Corona-Variante Omikron offenbar weniger hoch ein als manche seiner Kollegen: „Trotz allem deutet vieles darauf hin, dass die Infektionen in der Omikron-Welle vergleichsweise harmlos verlaufen“, schreibt er in einem n-tv-Gastbeitrag.
„Trotz allem“, weil Omikron dennoch ansteckender sei, als seine Vorgänger, die Immunabwehr austrickse, wie „ein Anfänger im Schach, der gegen den Großmeister antritt“ und sich möglicherweise „besonders effektiv“ in den Bronchien vermehre. All das gibt der Virologe zu bedenken, wenn er einen eher harmlosen Verlauf prognostiziert – und kommt dennoch zu dem Urteil, dass die Omikron-Welle mit den bisher erprobten Maßnahmen nicht zu brechen sei. Warum?
Die neue Variante infiziere zum einen auch Geimpfte und Genesene stärker, zum anderen sei sie „wahrscheinlich“ noch ansteckender als Delta. Dass der Verlauf einer Omikron-Infektion dennoch weniger schwer ausfalle, liege „nicht am Virus selbst, sondern an der durch Impfungen und frühere Infektionen verbesserten Immunität der Bevölkerung“, erklärt der Experte. Kekulé blickt auf Südafrika und Großbritannien: In Südafrika verursache Omikron nur ein Zehntel der Krankenhauseinweisungen, schreibt er. Das sei vor allem auf die Immunität früherer Infektionen zurückzuführen – denn in dem Land liegt die Impfquote seinen Angaben zufolge bei nur 30 Prozent. Auch im „Omikron-Hotspot London“, wo die Infektionen rapide zunehmen, sei ein starker Anstieg an Krankenhauseinweisungen bislang ausgeblieben, so Kekulé.
Kekulés Einschätzung nach führt „ Omikron deutlich seltener zu schweren Erkrankungen“ als die Delta-Variante. Auch die bisher bekannten Laboruntersuchungen ließen das Urteil zu, dass Geimpfte und Genesene zwar„ kaum vor der Infektion, aber gut vor einer schweren Erkrankung“ geschützt seien, so Kekulé weiter. Doch gerade der hohen Infektiosität würden die bisherigen Maßnahmen nur unzureichend entsprechen: Nur „ein sofortiger, vollständiger Lockdown“ könne Omikron aufhalten. Der Experte hält diesen jedoch nicht mehr für verhältnismäßig – weil das Risiko eines schweren Verlaufs für Geimpfte und Genesene sowie für jüngere Menschen im Vergleich zu Delta gering ausfalle.
Kekulé: „Wahllose Boosteraktionen für jedermann“ müssen aufhören
Es ließe sich kaum vermeiden, dass sich „innerhalb weniger Wochen“ ein Großteil der deutschen Bevölkerung mit Omikron infiziere. Einem besonderen Risiko seien dann zwei Gruppen ausgesetzt: Ungeimpfte Erwachsene und geimpfte Risikopersonen, die noch keine Booster-Impfung erhalten haben. Um zu verhindern, dass die Krankenhäuser besonders durch die gefährdete Altersgruppe ab 60 überbelastet sind, „wenn der Omikron-Tsunami über das Land rollt“, müsse eine neue Strategie her, meint der Experte: Ungeimpfte Erwachsene seien durch Erstimpfungen, Menschen mit besonderem Risiko durch Drittimpfungen vor schweren Verläufen zu schützen.
Dabei unerlässlich sei eine konsequente Impfpriorisierung, schreibt Kekulé. Statt der „wahllosen Boosteraktionen für jedermann“ müssten Menschen in hohem Alter –also stärker Gefährdete – gezielt angesprochen werden. Der Virologe setzt sich in Bezug auf die Altersgruppe ab 60 auch von der Stiko-Empfehlung ab: Für sie sei eine Auffrischung„ bereits vier Monate nach der zweiten Impfung sinnvoll“. Und Kekulé wird noch deutlicher: Die derzeitige Booster-Kampagne, bei der sich „massenweise junge und gesunde Menschen“ impfen lassen, ist in seinen Augen „unverantwortlich“. Seine Forderung nach einer priorisierten Impfkampagne hält der Experte für das „letzte Gefecht gegen die Pandemie“. Es komme auf jeden Tag an, so Kekulé.
Zum Schluss seines Beitrags spricht sich der Wissenschaftler auch nochmal für starke Kontaktreduktionen nach Weihnachten aus – so könne man „Zeit und Ressourcen gewinnen“. Als konkrete Maßnahmen schlägt er etwa die bundesweite Schließung von Kinos, Theatern, Clubs und größeren Veranstaltungen in Innenräumen vor. Für alle anderen Veranstaltungen müsse die Testpflicht weiterhin gelten, so der Experte. Von Sonderrechten für Geimpfte und Genesen hält er nichts: Bereits in der Delta-Welle habe sich gezeigt, dass die Infektionen dadurch nur ansteigen würden. Folglich sei sie auch in der Omikron-Welle unverantwortlich, so Kekulé. Sein Appell: Die „Boosteraktionen für jedermann“ stoppen, Impfpriorisierungen wieder einführen.
