Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat begonnen: Was man wissen muss

Die Wahl in NRW wird auch als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet. Umfragen deuten auf einen knappen Sieg der CDU hin.

Wahlplakate mit Portraits von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD.
Wahlplakate mit Portraits von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD.dpa/Oliver Berg

In Nordrhein-Westfalen – mit rund 17,9 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland – hat am Sonntag die Landtagswahl begonnen. Seit 8 Uhr können mehr als 13 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimmen in den Wahllokalen abgeben. Umfragen deuteten zuletzt auf einen knappen Sieg der regierenden CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst hin, die SPD wurde mit etwas Abstand auf dem zweiten Platz verortet. Die Grünen haben den Erhebungen zufolge gute Chancen, als drittstärkste Kraft in den 18. Landtag von NRW einzuziehen.

Wahlumfragen sahen die CDU zuletzt bei bis zu 32 Prozent. Die oppositionelle SPD, die mit Thomas Kutschaty als Spitzenkandidat antritt, erreichte 28 bis 29 Prozent Zustimmung. Die Grünen um ihre Spitzenkandidatin Mona Neubaur kamen in den Umfragen im Monat vor der Wahl auf 16 bis 17 Prozent der Stimmen.

In Umfragen hat die amtierende schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit mehr

Hendrik Wüst twitterte am Sonntagmorgen einen Wahlaufruf: „Heute gilt's: Die Menschen in NRW haben Gelegenheit, die Zukunft ihres Landes mitzugestalten. Ich bitte Sie, diese Chance zu nutzen – gehen Sie wählen“, schrieb der 46-Jährige, der zunächst Minister für Verkehr im Kabinett Laschet war und dann im Oktober 2021 als dessen Nachfolger vorgestellt wurde. In Umfragen hat die seit fünf Jahren amtierende schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit mehr. Bis 2017 war eine rot-grüne Koalition an der Macht in NRW. Der Ausgang der Landtagswahl und mögliche künftige Koalitionen gelten als völlig offen. Die erste Prognose zum Wahlausgang wird kurz nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr erwartet.

Die Wahl in NRW wird auch als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet und gilt als wichtiger Test für die Bundesparteien. Am vergangenen Sonntag hatte die CDU mit Ministerpräsident Daniel Günther bei der Wahl in Schleswig-Holstein klar gesiegt. Zuvor hatte bei der Landtagswahl im Saarland die SPD mit Anke Rehlinger hoch gewonnen.

Die Fakten: Rund 13 Millionen sind im bevölkerungsreichsten Bundesland wahlberechtigt. Etwa 786.000 sind Erstwähler. 29 Parteien sind mit Landeslisten zur Abstimmung zugelassen. Der Landtag wird für fünf Jahre gewählt. Insgesamt bewerben sich 1375 Personen um ein Landtagsmandat.

Das Wahlrecht

Jeder Wähler kann zwei Kreuze auf dem Stimmzettel machen. Mit der Erststimme wird über das Direktmandat im Wahlkreis entschieden. Mit der Zweitstimme wird die Landesliste einer Partei gewählt. Es gilt eine Fünf-Prozent-Hürde. Mindestens 181 Abgeordnete werden für fünf Jahre gewählt – davon 128 als Direktkandidatinnen und -kandidaten und 53 über die Landeslisten. Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und mindestens seit dem 29. April 2022 in NRW wohnen.

Die Ausgangslage

Derzeit sind fünf Fraktionen im Landtag vertreten. 2017 waren aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten insgesamt 199 Abgeordnete in das NRW-Parlament eingezogen. Eine CDU/FDP-Koalition löste die rot-grüne Koalition ab und hat eine Mehrheit von nur einer Stimme.

Die CDU gewann die Wahl 2017 mit 33 Prozent vor der SPD (31,2 Prozent). Die FDP erreichte mit 12,6 Prozent den dritten Platz – gefolgt von der AfD, die mit 7,4 Prozent erstmals in den Landtag einzog. Die Grünen stürzten 2017 auf 6,4 Prozent ab. Bei der AfD haben mittlerweile drei Abgeordnete die Fraktion verlassen und sind fraktionslos.

Das Personal

Die CDU schickt Ministerpräsident Hendrik Wüst (46) ins Rennen. Der ehemalige Landesverkehrsminister hatte das Amt erst Ende Oktober von Armin Laschet übernommen, der als Unionskanzlerkandidat gescheitert war. SPD-Herausforderer ist Landespartei- und Fraktionschef Thomas Kutschaty (53), der unter Rot-Grün Landesjustizminister war. Grünen-Spitzenkandidatin ist Landesparteichefin Mona Neubaur (44). Für die FDP geht Familien- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp (51) an den Start, der auch Vize-Ministerpräsident ist. Spitzenkandidat der AfD ist Fraktionschef Markus Wagner (57).

Der Wahlkampf

Während das Thema Corona in den Hintergrund rückte, prägte zuletzt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine den Wahlkampf. Energiesicherheit und Kohleausstieg, Inflation und gestiegene Sprit- und Energiepreise sowie der Klimawandel sind neben der Schulpolitik, innerer Sicherheit und bezahlbarem Wohnraum die großen Themen. Der Rücktritt von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU), die wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit Regierungsmitgliedern auf Mallorca gefeiert hatte, spielte im Endspurt des Wahlkampfs dagegen keine Rolle mehr.

Die Umfragen

Die Umfragen: Der Wahlabend dürfte spannend werden, denn zahlreiche Umfragen der vergangene Wochen sagen ein sehr knappes Rennen zwischen CDU und SPD voraus. Zuletzt sahen die Erhebungen verschiedener Meinungsforschungsinstitute einen kleinen Vorsprung für die CDU. Die Christdemokraten könnten demnach auf 30 bis 32 Prozent kommen und die SPD auf 28 bis 29 Prozent. Die Grünen liegen in Umfragen bei 16 bis 18 Prozent und könnten ihr bestes Landtagswahlergebnis erreichen. Die FDP könnte nur noch mit 6 bis 8 Prozent rechnen, die AfD ebenfalls mit 6 bis 8 Prozent. Die Linke würde mit etwa 3 Prozent den Einzug in den Landtag weiterhin verfehlen.

Die Optionen

Eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition gilt rechnerisch auch wegen der Schwäche der FDP als unwahrscheinlich. Für die nächste Landesregierung gäbe es aber mehrere Optionen. Möglich wäre laut Umfragen neben einer eher unbeliebten großen Koalition aus CDU und SPD etwa ein schwarz-grünes Bündnis oder ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP. Die SPD könnte zudem wie im Bund eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP bilden. Auch für eine rot-grüne Mehrheit könnte es nach einzelnen Umfragen unter Umständen ganz knapp reichen.

Regierungschef Wüst würde gern mit der FDP weiterregieren, die Liberalen halten sich jedoch, wie auch die Grünen, alle Optionen offen. Die Grünen könnten angesichts ihrer Stärke zum „Königsmacher“ bei der Regierungsbildung werden. SPD-Spitzenkandidat Kutschaty kann sich die Bildung einer Ampelkoalition wie im Bund vorstellen.