Neue Fälle: Affenpocken breiten sich weiter in Berlin aus

In Berlin wurden am Samstag die ersten Affenpocken-Fälle bestätigt. Auch in der Schweiz, Israel und anderen europäischen Staaten tritt die Krankheit plötzlich auf.

Affenpocken unter dem Elektronenmikroskop.
Affenpocken unter dem Elektronenmikroskop.dpa/Essbauer/Sanitätsdienst der Bundeswehr

In Berlin sind am Samstag mindestens zwei Fälle von Affenpocken bestätigt worden. Das teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit mit. Der Zustand der beiden Patienten sei stabil. Derzeit liefen die Ermittlungen zu Kontaktpersonen. Ob es sich um den west- oder zentralafrikanischen Virusstamm handelt, soll eine Sequenzierung ergeben. Es handelt sich um einen 55-jährigen und einen 30-jährigen Mann. Beide Patienten haben sich Medienberichten zufolge bei Sexpartys angesteckt.

Der Berliner Hausarzt und Infektiologe Heiko Jessen sagte der Berliner Zeitung, die beiden 30 und 55 Jahre alten Infizierten seien langjährige Patienten bei ihm. Zwischen beiden Fällen gebe es nach seiner Einschätzung keine Verbindung. Der 55-Jährige habe sich offenbar in Berlin in einem Club angesteckt, weil er die Stadt nach eigenen Angaben nicht verlassen habe. In seinem Fall habe er bereits am Freitagabend vom Robert-Koch-Institut eine Bestätigung über die Ansteckung mit Affenpocken bekommen, sagte Jessen. Der 55-Jährige habe sich wahrscheinlich am 8. Mai infiziert und sei schon einmal gegen Pocken geimpft. Bei ihm verlief die Krankheit wesentlich milder.

Affenpocken: Beide Patienten steckten sich offenbar bei Sexpartys an

Bei dem 30-Jährigen, dessen Infektion erst am Samstag bestätigt wurde, seien die Symptome noch eindeutiger. Er war nicht gegen Pocken geimpft. Jessen nannte unter anderem Fieber, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen sowie pockenähnliche Geschwüre, die schmerzhaft seien und sich über verschiedene Körperstellen ausgebreitet hätten. Die ersten Symptome seien bei ihm am Montag aufgetreten, sagte der Mediziner mit einer Praxis in Berlin-Schöneberg. Der Infizierte sei rund zwei Wochen zuvor beim Christopher Street Day auf Gran Canaria gewesen. Er steckte sich auf Gran Canaria vermutlich zwischen dem 7. und 10. Mai an.

Der RBB schreibt inzwischen von drei Affenpocken-Fällen. Laura Hofmann, Pressesprecherin der Gesundheitsverwaltung, kann einen dritten Fall auf Anfrage der Berliner Zeitung noch nicht bestätigen. „Es ist aber davon auszugehen, dass bald mehr Fälle registriert werden“, so die Sprecherin.

Affenpocken: Erste Verdachtsfälle auch in Nordrhein-Westfalen

Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) teilte mit, es bestehe kein Grund zur Panik, aber Grund zur Vorsicht, da viele wissenschaftliche Erkenntnisse über die Krankheit noch vorläufig seien. „Expertinnen und Experten gehen jedoch davon aus, dass wir keine neue Pandemie fürchten müssen. Wir müssen jetzt aber schnell und konsequent handeln, um Infektionsfälle zu erkennen und einzudämmen.“

Auch in Nordrhein-Westfalen liegen nach Angaben des Landesgesundheitsministeriums Hinweise „auf mögliche Kontakte von Personen mit dem Affenpockenvirus“ vor. Diesen Hinweisen werde nachgegangen, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.

Am Freitag hatte es die erste Bestätigung für einen Fall von Affenpocken in Deutschland gegeben. Nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums ging es dabei um einen aus Brasilien stammenden 26-Jährigen, der von Portugal über Spanien nach München gereist war. Das Affenpocken-Virus ruft meist nur recht milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Auch in der Schweiz und in Israel wurden am Samstagabend der erste Fall festgestellt. Niederlande führt die Meldepflicht ein.

Viele Fälle in Spanien, erster Fall in Schweden am Donnerstag

Die spanischen Behörden gehen unterdessen der Vermutung nach, dass Partys der Gay Pride auf der Urlauberinsel Gran Canaria ein möglicher Ansteckungsherd für die Infektionen gewesen sein könnten. Das berichtete die Zeitung El País unter Berufung auf Quellen im Gesundheitssektor. An der vor allem von Homosexuellen besuchten „Maspalomas Pride“ nahmen vom 5. bis 15. Mai etwa 80.000 Menschen aus Spanien und vielen anderen Ländern teil, wie die Zeitung berichtete.

Männer aus Italien, aus Madrid sowie von der Insel Teneriffa, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, sollen an den Feierlichkeiten teilgenommen haben. Intimkontakte sind ein möglicher Übertragungsweg für das Virus. Am Freitag hatten Behörden bereits eine Sauna in Madrid geschlossen, weil sich auch dort mehrere Männer angesteckt haben sollen. In Spanien waren bis Freitag 30 Affenpocken-Fälle nachgewiesen. Zudem gebe es weitere 23 Verdachtsfälle.

In Schweden hat die Regierung nach dem ersten bestätigten Fall vom Donnerstag die Affenpocken als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft. „Die Einstufung ermöglicht es, Maßnahmen zum Infektionsschutz zu ergreifen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern“, erklärte Sozialministerin Lena Hallengren.

Charité in Berlin zu Affenpocken: Dynamik ist ungewöhnlich

Leif Erik Sander, Klinikdirektor Infektiologie der Charité erklärte: „Die Dynamik des aktuellen Affenpocken-Ausbruchs ist ungewöhnlich und muss daher sehr ernst genommen werden, bis die Infektionsketten und Übertragungswege besser charakterisiert und effektiv unterbrochen wurden. Wir beobachten bislang eine disproportionale Häufung der Affenpocken-Infektionen unter Männern, insbesondere nach Sexualkontakt zu anderen Männern.“

Da die Infektion durch engen Hautkontakt und möglicherweise auch über Schleimhautkontakt und Tröpfchen übertragen wird, empfehle er aktuell besondere Vorsicht und Vermeidung von engen ungeschützten Kontakten mit unbekannten Personen, sagte Sander. Insbesondere wenn typische Krankheitssymptome bestehen, sollte man Kontakte beschränken und sich rasch in ärztliche Behandlung begeben. Die Charité ist nach eigenen Angaben auf die Behandlung von Infizierten vorbereitet und arbeitet eng mit dem RKI und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zusammen.

Affenpocken in Berlin: Ungeschützter Sex ist mögliche Ursache

Affenpocken sind eine Infektionskrankheit, die durch Viren von Tieren auf den Menschen übertragen wird. In Afrika wurden Affenpocken bei vielen verschiedenen Tieren nachgewiesen, vor allem bei Nagetieren und mehreren Affenarten. Auch von Mensch zu Mensch können die Viren weitergegeben werden, jedoch nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur begrenzt.

Seit Anfang Mai 2022 verbreitet sich das Virus erstmals in Europa von Mensch zu Mensch ohne eine epidemiologische Verbindung nach West- oder Zentralafrika, wie die Gesundheitsverwaltung mitteilt.

Aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge verbreitet sich das Virus weniger leicht von Mensch zu Mensch als Sars-CoV-2. Nach derzeitigem Wissen ist für eine Übertragung ein enger Körperkontakt erforderlich, weswegen das RKI davon ausgeht, dass die Ausbrüche begrenzt bleiben. Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung wird daher vom RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering eingeschätzt. Dennoch muss damit gerechnet werden, dass es zu weiteren Fällen kommen wird.

Da die Ansteckung wahrscheinlich über Schleimhautkontakt erfolgt, sollten zur Vorsorge außerdem enge körperliche/sexuelle Kontakte mit wechselnden oder fremden Personen nach Möglichkeit vermieden werden. Auf jeden Fall sollten aber die Regeln des „Safer Sex“ wie z.B. der Gebrauch von Kondomen beachtet werden.

Affenpocken: Auf diese fünf Symptome müssen Sie achten

Erste Symptome der Affenpocken-Krankheit sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen und geschwollene Lymphknoten sowie ein Ausschlag, der häufig im Gesicht beginnt und dann auf andere Körperteile übergreift. Die meisten Infizierten erholen sich innerhalb mehrerer Wochen von der Krankheit, ein tödlicher Verlauf ist selten. „Wenn Sie oben genannte Symptome haben, begeben Sie sich bitte schnell zum Arzt/zur Ärztin und tragen Sie vorsorglich eine FFP2-Schutzmaske“, warnt die Gesundheitsverwaltung. (mit dpa)