UN: Weltbevölkerung wächst immer langsamer

Die Geburtenrate nimmt weltweit ab. Das bringt Vor- und Nachteile. Ein besonderer Wendepunkt wird für das Jahr 2100 erwartet.

Menschen gehen dichtgedrängt auf einem Wochenmarkt im indischen Mumbai einkaufen.
Menschen gehen dichtgedrängt auf einem Wochenmarkt im indischen Mumbai einkaufen.dpa/Ashish Vaishnav

Am heutigen Weltbevölkerungstag leben 7.977.000.000 Menschen auf der Erde. Um den 15. November 2022 soll die Marke von acht Milliarden Menschen geknackt werden, prognostizieren die Vereinten Nationen. Nichtsdestotrotz wächst die Zahl der Menschen auf unserem Planeten immer langsamer. Ab dem Jahr 2080 soll sie den Prognosen zufolge gar nicht mehr größer werden – bei 10,4 Milliarden Menschen, wie die Vereinten Nationen in einem Bericht zum Weltbevölkerungstag am 11. Juli schreiben, der der Deutschen Presse-Agentur vorab vorlag.

Für John Wilmoth, Direktor der UN-Bevölkerungsabteilung, stecken in der globalen Entwicklung – trotz aller regionalen Unterschiede – viele Chancen vor allem für Entwicklungsländer. Dies gelte neben der Bekämpfung von Armut oder Hunger vor allem für das Thema Bildung: Weniger Nachwuchs erhöhe die Aufmerksamkeit pro Kind, sagte Wilmoth der Deutschen Presse-Agentur.

Überalterung nimmt zu, besonders in China

Kehrseite niedrigerer Geburtenraten sei es jedoch, dass die Bevölkerung insgesamt älter werde und ein größerer Anteil in ein Alter komme, in dem er auf Hilfe angewiesen sei. Insbesondere, weil auch die Lebenserwartung zunehmen wird: Nach UN-Schätzungen von 72,8 im Jahr 2019 auf 77,2 in 2050.

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Besonderes Augenmerk bei der globalen Entwicklung dürfte auf den bevölkerungsreichsten Regionen der Welt liegen: China, dem (noch) bevölkerungsreichsten Land der Welt, stehen gewaltige Herausforderungen bevor.

Im vergangenen Jahr wurden in der Volksrepublik über zehn Millionen Babys geboren. Die Zahl klingt zwar gewaltig, ist aber zu niedrig, um die Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen langfristig stabil zu halten.

China altert rasant, da sich die Auswirkungen der über Jahrzehnte verfolgten „Ein-Kind-Politik“ immer bemerkbarer machen. Die Aufhebung der umstrittenen Beschränkung hatte 2016 nur kurzzeitig zu einem leichten Anstieg der Geburten geführt. Seither ist die Zahl jedes Jahr weiter gefallen.

Experten begründen die geringe Zahl neuer Geburten damit, dass Paare, die in der Regel selbst als Einzelkinder aufgewachsen sind, es als normal empfinden würden, nur ein Kind zu bekommen. Auch hohe Kosten für Wohnraum, Ausbildung und Gesundheit sowie die schwindende Bereitschaft zur Heirat sind als Gründe für die niedrige Geburtenrate angeführt. Laut Vorhersagen dürfte das Milliardenvolk in einigen Jahren anfangen zu schrumpfen – wahrscheinlich noch früher, als lange angenommen wurde.

Indien wird China schon bald überholen

Das Land in Südasien ist offiziell das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt, mehr als 1,3 Milliarden Menschen leben dort – rund ein Sechstel der Menschheit. Noch dürfte die relativ junge indische Bevölkerung weiter wachsen und China laut dem neuem UN-Bericht 2023 überholen.

Aber auch in Indien geht die Geburtenrate zurück: Seit einiger Zeit haben Inderinnen nach offiziellen Zahlen im Schnitt nur noch zwei Kinder in ihrem Leben. Etwa zehn Prozent weniger als bei vergleichbaren Zahlen fünf Jahre davor. Zu wenig, um die nötige Reproduktionsrate von 2,1 aufrechtzuerhalten, die für eine stabile Bevölkerung nötig ist. Demnach nutzen inzwischen rund zwei Drittel der Paare Verhütung, während dies vor fünf Jahren erst jedes zweite Paar tat.

Da die Bevölkerung noch sehr jung ist, wird sie trotz tieferer Geburtenzahl noch weiter wachsen, sagen Experten. Noch in den 60er-Jahren gebar eine Frau in Indien im Schnitt rund sechs Kinder. Viele befürchteten eine explosionsartige Bevölkerungsentwicklung, die unter anderem Probleme bei der Nahrungsproduktion verursacht.

Afrikanische Bevölkerung wird sich verdreifachen

Der Afrikanische Kontinent: Kein Erdteil wird auf absehbare Zeit so wachsen wie Afrika. Rund 1,4 Milliarden Menschen leben nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung derzeit auf dem Kontinent. Und es werden immer mehr: Bis 2050 wird sich die Bevölkerung auf rund 2,5 Milliarden erhöhen.

Bis zum Ende des Jahrhunderts werden etwa dreimal so viele Menschen in Afrika leben wie heute, knapp 4,3 Milliarden – etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung. Die größten Treiber sind dabei vor allem zehn Länder, aus denen 2050 mehr als die Hälfte aller neugeborenen Menschen stammen werden: Nigeria, Äthiopien, Ägypten, Demokratische Republik Kongo, Tansania, Südafrika, Kenia, Uganda, Algerien und Sudan. Doch auch auf Afrika wird der globale Trend eines verlangsamten Wachstums durchschlagen, die Wachstumsrate bei der Bevölkerung wird für 2100 auf 0,6 Prozent geschätzt.

Wendepunkt wird im Jahr 2100 erwartet

In der Zwischenzeit werden immer mehr einkommensstarke Länder – wie heute bereits Japan – in eine negative Bevölkerungsentwicklung abrutschen. Für eine stabile Wachstumsrate wären Länder wie Deutschland auf Migration angewiesen. Die UN raten im Bericht: „Alle Länder, unabhängig davon, ob sie einen Nettozustrom oder -abzug von Migranten verzeichnen, sollten Schritte unternehmen, um eine geordnete, sichere, reguläre und verantwortungsvolle Migration zu erleichtern.“

Die Vereinten Nationen blicken in ihrem Ausblick bis ins Jahr 2100 – nach derzeitiger Prognose ein besonderer Wendepunkt in der Weltgeschichte: Die Gesamtbevölkerung soll dann schrumpfen. Wilmoth zufolge sind die Informationen über eine Entwicklung in 80 Jahren jedoch mit Vorsicht zu genießen. „Für die nächsten 30 oder 40 Jahre wissen wir ziemlich genau, was mit der Bevölkerung der einzelnen Länder und weltweit passieren wird. Aber darüber hinaus fängt man an, zwei oder drei Generationen in die Zukunft zu blicken. In diesem Zeitrahmen gibt es viel mehr Unsicherheit.“