Weltweiter Notstand wegen Affenpocken: Wie ist die Lage in Berlin?

In Berlin beruhigt sich das Infektionsgeschehen bei den Affenpocken allmählich. Doch eine neue Studie aus Großbritannien gibt Anlass zur Sorge.

Berlin von oben
Berlin von obenimago

Rund fünf Monate nach Beginn des Ausbruchs der Affenpocken scheint sich die Lage im Hotspot Berlin weiter zu beruhigen. Nachdem in der Metropole im Sommer zeitweise 200 und mehr Erkrankte pro Woche gemeldet worden waren, sind es seit September wöchentlich nur noch einzelne, wie aus einer Datenbank des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. Für die vergangene Meldewoche sind dort bisher drei Fälle aus Berlin erfasst.

Die Zahl der bis Ende September verabreichten Impfungen liege bei 12.955, teilte die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung auf Anfrage mit. Daten für den Oktober lagen noch nicht vor. Rund neun von zehn der erfassten Impfungen sind Erstimpfungen, die laut Ständiger Impfkommission (Stiko) einen guten Basisschutz vermitteln.

Weltweite Notlage bleibt

Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) weist insgesamt rund 1670 Betroffene des Ausbruchs aus – mit Abstand die meisten im Vergleich der Bundesländer. Mit Stand 1. November waren dem RKI bundesweit rund 3670 Betroffene gemeldet worden. Das Institut spricht auch für Deutschland von einer rückläufigen Entwicklung. Dennoch: Der Ausbruch sei noch nicht beendet, hält das Lageso auf seiner Info-Webseite zu Affenpocken fest.

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Der internationale Ausbruch war von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Juli zur „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“ erklärt worden – dabei bleibt es vorerst auch, wie die WHO am Mittwoch entschieden hat. Es handelt sich um die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann, um Regierungen zu alarmieren und zu Vorkehrungen anzuhalten. Zwar gebe es bei der Bekämpfung Fortschritte, hieß es. Aber es komme weiter zu neuen Ansteckungen und einige Länder verfügten noch nicht über ausreichend Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten sowie Impfstoffe.

Neue Studie aus Großbritannien zur Übertragung

Die vorläufigen Erkenntnisse der in der Fachzeitschrift BMJ veröffentlichten Studie deuten darauf hin, dass viele Affenpocken-Infektionen durch Isolation nach dem Auftreten von Symptomen gar nicht mehr verhindert werden können. Denn Menschen, die an Affenpocken erkrankt sind, können das Virus einer britischen Studie zufolge bis zu vier Tage vor dem Auftreten von Symptomen weitergeben. Mehr als die Hälfte der Übertragungen könnte demnach während dieses Zeitraums stattfinden.

Die Studie wurde in Großbritannien durchgeführt – dem ersten Land außerhalb Afrikas, in dem im Mai dieses Jahres eine Häufung von Fällen aufgetreten war. Forscher der britischen Gesundheitsbehörde untersuchten dafür Daten zur Ansteckungsverfolgung und Fragebögen von 2746 Menschen, die in Großbritannien zwischen Mai und August positiv auf Affenpocken getestet worden waren. Etwa 95 Prozent der Studienteilnehmer waren Männer, die Sex mit Männern hatten – eine Gruppe, die vom derzeitigen weltweiten Affenpocken-Ausbruch besonders stark betroffen ist.

Bei den Affenpocken handelt es sich um einen deutlich weniger gefährlichen Verwandten der seit etwa 40 Jahren ausgerotteten Pocken. Zu den typischen Symptomen der Krankheit gehören hohes Fieber, geschwollene Lymphknoten und windpockenähnliche Pusteln. Übertragen wird die Krankheit durch engen Körper- und Hautkontakt. Betroffen sind laut WHO vor allem junge Männer, die Geschlechtsverkehr mit jungen Männern haben. Bleiben die Affenpocken unbehandelt, klingen die Symptome in der Regel nach zwei bis vier Wochen von allein wieder ab.

Erster Affenpockenfall im Mai in Deutschland

Bis zu diesem Jahr kam die Krankheit vor allem in West- und Zentralafrika vor, seit Mai verbreitet sie sich aber auch in anderen Ländern. Allerdings sind die Zahlen im vor allem betroffenen Westeuropa und Nordamerika seit Juli rückläufig. Seit Mai zählte die WHO über 77.000 Fälle in 109 Ländern, von denen 36 tödlich verliefen.

Der erste Affenpocken-Fall in Deutschland war im Mai bekannt geworden. In Berlin hatten die Impfungen gegen die Virusinfektion Mitte Juli begonnen. Die Stiko empfiehlt dies bestimmten Gruppen und Menschen, die engen Kontakt zu Infizierten hatten. Ein erhöhtes Infektionsrisiko sieht sie vor allem bei Männern, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Vermutlich dürften auch eine höhere Sensibilisierung und geänderte Verhaltenshinweisen zum Rückgang der Zahlen beigetragen haben.