Russland: Wikipedia wehrt sich vor Gericht gegen Zensur
Die russische Medienaufsicht will, dass Beiträge zum Ukraine-Krieg aus der Internet-Enzyklopädie verschwinden. Wikipedia droht wohl sogar eine komplette Sperre.

Die russische Medienaufsicht verlangt von der Internet-Enzyklopädie Wikipedia, dass Informationen zum Ukraine-Krieg gelöscht werden. Ein russisches Gericht verurteilte den Betreiber Wikimedia Foundation bereits im April zu einer Strafe von 82.000 Euro – und forderte umfassende Selbstzensur. Das gemeinnützige US-Unternehmen solle Informationen über Kriegsverbrechen in Butscha und Mariupol löschen, zudem sei eine Registrierung beim russischen Staat nötig. Wikipedia will dies laut einem Spiegel-Bericht nicht hinnehmen – und wehrt sich in Moskau vor Gericht.
Die Rechtsvertreter der Wikimedia Foundation argumentieren in ihrer Berufung unter anderem damit, dass die faktisch korrekten Beiträge durch die Meinungsfreiheit geschützt seien. Diese werde auch von der russischen Verfassung garantiert. Ein neues Gesetz, das Informationen über den Ukraine-Krieg unter Strafe stellt, sei demgegenüber unwirksam. Stephen LaPorte, Chef der Wikimedia-Rechtsabteilung, sagte dem Spiegel, dass Wikipedia-Autoren zudem keine eigenen Behauptungen über den Krieg äußern, sondern lediglich zuverlässige Quellen zusammenstellen würden.
Wikipedia-Autor Mark Bernstein in Belarus festgenommen
Die Wikimedia Foundation hat die zunächst verhängte Geldstrafe nicht gezahlt und weigert sich weiterhin, Artikel zu verändern – obwohl beispielsweise ein Autor der russischen Wikipedia, Mark Bernstein, in Belarus festgenommen wurde. Falls Wikimedia den Berufungsprozess in Russland verliert, droht laut Spiegel der ganzen russischen Wikipedia die Sperre.
Die russische Wikipedia erreicht über eine Milliarde Seitenaufrufe im Monat. Mehr als die Hälfte dieser Zugriffe kommt aus Russland. Der Kreml hatte unter anderem bereits Angebote der Deutschen Welle gesperrt.
