Zwölfjährige Luise getötet: Experte findet den Fall „sehr, sehr ungewöhnlich“

Kinder töten Kinder: Derartige Gewaltverbrechen kommen sehr selten vor, sagt Kriminalpsychologe Rudolf Egg. Einen solchen Fall habe er noch nie erlebt.

Freudenberg: Unbekannte haben am Fundort des ermordeten zwölfjährigen Mädchens Luise, nah an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen, Blumen aufgestellt.
Freudenberg: Unbekannte haben am Fundort des ermordeten zwölfjährigen Mädchens Luise, nah an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen, Blumen aufgestellt.Roberto Pfeil/dp

Der Kriminalpsychologe Rudolf Egg hat die Tötung der zwölfjährigen Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg als sehr seltenen Ausnahmefall eingestuft. Dass Mädchen im Kindesalter töten, sei „sehr, sehr ungewöhnlich“, sagte Egg (74) am Mittwoch in einem Interview im WDR-Hörfunk. In seiner Laufbahn habe er einen solchen Fall nicht gehabt, sagte der langjährige Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden – der zentralen Einrichtung des Bundes und der Länder für kriminologische Forschungsfragen.

Die geständigen Mädchen (12 und 13 Jahre alt) stünden am Anfang ihres Lebens. „Man muss ihnen jetzt nicht das gesamte Leben verbauen“, sagte Egg. „Auch wenn sie moralisch sehr schwere Schuld auf sich geladen haben.“ Zu einem Zeitpunkt, der noch zu bestimmen sein wird, werde man den Mädchen die Hand reichen müssen, sagte der Kriminologe und Rechtspsychologe aus Wiesbaden.

Kriminalpsychologe: Die Tat „muss schon Konsequenzen haben“

Bei Kindern stehe nicht die Bestrafung, sondern die Erziehung und Entwicklung im Vordergrund. „Das bedeutet aber nicht, dass die Tat ohne Konsequenzen bleibt. Dass man einfach so zur Tagesordnung übergeht, das geht natürlich nicht“, sagte Egg. „Das muss schon Konsequenzen haben.“

Zuständig seien jetzt die Jugendämter. „Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Familien eine Erziehungsbetreuung bekommen. Man kann auch über das Sorgerecht streiten“, sagte Egg. Die Tat bedeute auch einen massiven Einschnitt für die kleine Kommune. Man werde sich fragen müssen, ob die Mädchen weiter in die gleiche Klasse gehen können.

Kinder unter 14 Jahren werden nur sehr selten zu Gewalttätern

Kinder unter 14 Jahren werden sehr selten als Tatverdächtige im Bereich Gewaltkriminalität registriert. Darunter fällt etwa gefährliche und schwere Körperverletzung, sexueller Missbrauch, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag und Mord.

2021 ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder in diesem Bereich gegenüber dem Vorjahr angestiegen (7477 zu 7103). Verglichen mit 2019 gab es 2021 jedoch einen Rückgang von rund zehn Prozent.

Betrachtet man nur Straftaten gegen das Leben über einen Zeitraum von 20 Jahren, schwankt die Anzahl der tatverdächtigen Kinder jährlich zwischen vier und 21, wie aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervorgeht. 2021 waren es 19 tatverdächtige Kinder bei Delikten gegen das Leben, darunter vier Mädchen. Zum Vergleich: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.

Zuletzt hat ein Mord im niedersächsischen Salzgitter Aufsehen erregt, an dem ein Kind beteiligt war: Ein 14-Jähriger und ein nicht strafmündiger 13-Jähriger erstickten im Juni 2022 eine 15-jährige Jugendliche. 2016 schlug ein 13-Jähriger in Bad Schmiedeberg (Sachsen-Anhalt) einen gleichaltrigen Jungen mehrfach so heftig gegen den Kopf, dass dieser starb.