Nicht unter Michael Naumann leidet die Deutsche Welle, sondern unter jahrelanger Vetternwirtschaft: Närrisches Treiben

So zynisch es klingt, aber der Krieg im Kosovo kommt dem Deutsche Welle-Intendanten Dieter Weirich wie gerufen. Nach Wochen des Streits mit Kulturminister Michael Naumann über Etatkürzungen und die zukünftige Aufgabe des Auslandssenders wird die Deutsche Welle derzeit mit Lob für ihre Radio-Berichte in serbischer und albanischer Sprache überschüttet. Das "heute-journal" widmete den Kollegen sogar einen eigenen Beitrag, an dessen Ende Intendant Weirich Millionen Zuschauern bedeuten durfte, daß seine Mannen unverzichtbar sind und die Steuergelder gut angelegt. Zwar wurde CDU-Mitglied Weirich von der rot/grünen Regierung letztendlich eine Kürzung um 30 auf 606 Millionen Mark verordnet, aber dafür mußte auch der Kulturbeauftragte des Kanzlers ordentlich blechen: In einer Art konzertierter Aktion haben es die DW-Freunde geschafft, Naumann wie den Totengräber eines völkerverbindenden Journalismus aussehen zu lassen: CDU, FDP, "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sie alle schimpften Naumann einen verantwortungslosen Kahlschläger. "Weirich hat eine parteipolitische Front aufgebaut, wie ich es noch nie erlebt habe", klagte der Kulturbeauftragte unlängst bei einem Treffen mit Journalisten. So habe der Intendant bewußt "Unwahrheiten verbreitet", um Stimmung in der Belegschaft zu machen. Darunter die schaurige Geschichte, der Sender solle komplett nach Berlin umziehen.Anfang April meldete sich auch noch das Institut der deutschen Wirtschaft unaufgefordert zu Wort und bescheinigte der Deutschen Welle "sich in den vergangenen zehn Jahren für die Herausforderung der Gegenwart und Zukunft fitgemacht zu haben". Das hätte Weirichs Presseabteilung nicht besser formulieren können. Und auch nicht falscher: Denn die Berichte der inneren Revision malen ein anderes Bild: Im nüchternen Buchhalterduktus dokumentieren sie, wie bei der Deutschen Welle in den letzten Jahren Millionen von Steuergeldern verschleudert wurden.Neues aus Key LargoAls Geldvernichtungsmaschine größten Ausmasses erwies sich dabei der Standort USA, wo der aus dem lokalen RIAS TV hervorgegangene Fernsehableger des Senders (Deutsche Welle-tv) nicht nur einen Büroleiter installierte sondern gleich noch einen sogenannten "Sonderkorrespondenten" ausgestattet mit dem Gehalt eines Fernsehdirektors und einer Funktion, die etlichen Mitarbeitern im deutschen Stammhaus jahrelang ein Rätsel war. Nur, daß der "Sonderkorrespondent" irgendwie "in Immobilien" macht und ansonsten im sonnigen Florida an seinem Boot bastelt, glaubte man zu wissen.Als wesentlich umtriebiger erwies sich ein weiterer Mitarbeiter der amerikanischen Dependance: Der mittlerweile verstorbene TV-Journalist Wolfgang Jansen war für die Deutsche Welle gleich in dreifacher Mission unterwegs: Als Nachrichtensprecher in Berlin, als Auftragsproduzent in Köln und als sogenannter Vertriebsagent in den Vereinigten Staaten. Auf diese Art verdiente er von 1994 bis 1997 rund 2,2 Millionen Mark viel mehr können es beim Intendanten auch nicht gewesen sein. Fast schon wie peanuts nehmen sich gegen solche Summen die "rund 50 000 DM Urlaubsgeld" aus, die Jansen laut internen Papieren "unberechtigt ausbezahlt" worden sind.Auch sonst wurde der Allrounder von der DW reichlich bedacht. So erhielt er für die Akquisition von Bildungseinrichtungen, die für ihren Sprachunterricht Kassetten der Deutschen Welle ordern sollten, insgesamt 696 000 DM an Provisionen. Gezahlt wurde das Geld über das Studio Washington, Original-Verträge über die Vereinbarungen trafen am Sendersitz in Köln allerdings nur sporadisch ein. Als "erschreckendstes Moment dieses Komplexes" nennt DW-Revisor Hans-Rudolf Hadenfeld das Ergebnis einer Befragungsaktion im Herbst 1997, bei der sich von 864 kontaktierten Universitäten gerade mal 17 % bei der DW zurückmeldeten. Mit anderen Worten: Trotz der Investition von über einer halben Million Mark aus Steuergeldern weiß niemand so recht, wieviele Germanophile sich in amerikanischen Klassenzimmern mit dem DW-Programm weiterbilden. "Um den Verdacht zu entkräften, daß uns hier Potemkinsche Dörfer vorgegaukelt" wurden, regte Controller Hadenfeld bereits vor längerem eine "vertiefende Prüfung" an.Auch bei der Produktion von Beiträgen stieß man auf Ungereimtheiten: Auffallend oft widmete sich der fleißige Jansen dem Thema Karneval. Ob ein Porträt über Willy Millowitsch oder einen Beitrag über "Evergreens aus Köln" von 1994 bis 1997 verkaufte er dem Auslandssender insgesamt vier Faschings-Nummern für 326 000 DM; zum Teil angereichert mit altem Drehmaterial, für das er schon einmal kassiert hatte. Die Rechtfertigung für die lukrative Doppelverwertung lieferte Fernsehdirektor Wolfgang Krüger höchstpersönlich: Jansen hätte so "nötigenfalls auf frühere Interviews mit inzwischen Verstorbenen zurückgreifen können", beschied er der Revision, die daraufhin irritiert vermerkte: "Es kommt hier der Verdacht auf, daß Herr Jansen wegen seiner Freundschaft zum Fernsehdirektor bevorzugt wurde." Zur Schadensbegrenzung sei daher ein nachträglicher Abschlag von 50% auf 144 400 Mark Honorar für 58 Minuten Kölner Karneval geboten.Doch nicht beim Fernsehdirektor glaubt der Intendant die Hauptschuld für das närrische Finanzgebaren geortet zu haben, sondern in den fernen USA. Als sie bereits ihre Schreibtische ausgeräumt hatten, wurde dem Sonderkorrespondenten und dem Büroleiter gekündigt, unter anderem wegen Verletzung der Aufsichtspflicht. Der Fall wird demnächst vor dem Arbeitsgericht verhandelt."Fürchterlicher Dreck"Nicht nur in Übersee, auch in Deutschland hat Weirich mit personellen Altlasten zu kämpfen. Das Bonner Büro wird seit Monaten kommissarisch geleitet: Studioleiter Gerhardt Schmidt wurde beurlaubt, nachdem er für seinen Wahlkampf um ein CDU-Bundestagsmandat im Sauerland DW-Mitarbeiter eingespannt hatte. Auch der Fall des Leiters der Synchronisationsabteilung harrt zum Leidwesen vieler Mitarbeiter einer Lösung. Der Bolivianer Ernesto Aramayo soll seine Freunde bei der Vergabe von Arbeiten bevorzugt haben auf Kosten der Programmqualität ("Berliner Zeitung" vom 28.11.1998). Inzwischen ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft. Doch für die DW sind weder die polizeilichen Anstrengungen, noch die vom Bundesrechnungshof festgestellten Unregelmäßigkeiten Grund genug, den umstrittenen Mitarbeiter vorläufig zu beurlauben. Im Gegenteil: Erst kürzlich, so berichten frustrierte Mitarbeiter, sei er von Fernsehdirektor Wolfgang Krüger mit erweiterten Befugnissen ausgestattet worden."Dreck, fürchterlicher Dreck", faßt der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende der Deutschen Welle, Erik Bettermann (SPD), die Vorfälle zusammen. Um die Anstalt effizienter zu machen, müßten endlich auch die alten Seilschaften beseitigt werden. "Dann können wir in 10-15 Jahren mit zwei Dritteln des Etats auskommen."Immerhin könnte Bettermann als Mitglied des Kontrollgremiums dafür sorgen, daß der Kulturbeauftragte Michael Naumann in Zukunft um die Amigos im Sender Bescheid weiß und eine sinnvolle Reform voranbringen kann. Denn auf seinen eigenen Mitarbeiterstab kann sich Naumann nur bedingt verlassen. So zeigte sich der für die Deutsche Welle zuständige Ministerial-Dirigent Wilhelm Wemmer in einem Gespräch mit der "Berliner Zeitung" auffallend ahnungslos. Angesichts der aktenkundigen Vorfälle wolle er sich nun aber doch mal genauer informieren. Daß er es bisher versäumt hat, liegt vielleicht an seinem guten Draht zu Parteifreund Dieter Weirich.Achtung, Gegendarstellung am 22.7.99