NSU-Prozess: Polizei verfolgte wichtige NSU-Spur nicht

München - Zwei Männer, ein Fahrrad schiebend, sich umdrehend, das Video ist schwarz-weiß. Einmal sieht man eine schwere Last auf dem Gepäckträger des Rades. Die Sequenzen wurden am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße aufgezeichnet, wo es wenig später zu einem verhängnisvollen Nagelbombenanschlag gekommen ist. Sind das Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt? Das Münchener Gericht beim NSU-Prozess zeigt die Mitschnitte, „weil grad Zeit ist“, wie der Richter Manfred Götzl einleitet.

Diese Bilder stehen erst einmal für sich. Dann wird die Zeugin Beate K. im Zusammenhang mit dem Mord an Ismail Yazar am 9. Juni 2005 in Nürnberg befragt. Die Bäckereiverkäuferin ist mit dem Rad unterwegs, als sie an dem besagten Morgen in der Nähe des späteren Tatorts zwei Männer mit einer Straßenkarte hantieren sieht. „Meine Überlegung war, die kennen sich nicht aus.“

Zurück von einem Termin, sieht sie die Männer wieder vor dem Döner-Imbiss von Yazar, und wie der eine Mann dem anderen „einen Gegenstand in einer Plastiktüte in den Rucksack steckt“. Sie fährt nach Hause. Als sie wenig später von dem Mord erfährt, geht sie zu einem Polizisten auf der Straße und teilt ihm mit, sie habe „da was gesehen“.

„Spargeltarzane“, einer mit Käppi

Sie beschreibt dem Beamten die Männer als „Spargeltarzane“, einer mit Käppi, „von der Hautfarbe hell, nicht südländisch …“ Einer habe „ein abstehendes Ohr“ gehabt. Beate K. wird etliche Male von der Polizei befragt, am 23. Mai 2006 zeigt man ihr das Video aus der Keupstraße. Sie habe die Männer wiedererkannt, sagt sie. Sie ließ sich die Köpfe heranzoomen und ist sich „vom Bauchgefühl her“ sicher, „ganz sicher“. Die Beamten relativieren das im Protokoll. Dort heißt es „ziemlich sicher“. Im Oktober 2006 wird der Zeugin das Video erneut gezeigt.

Nun kann sie alles laut Protokoll „nicht mehr mit Sicherheit sagen“. Trotz der Aussage von Beate K. zu den Radlern, wird deren Spur nicht weiterverfolgt. Stattdessen legt man Beate K., die die Radler als „nordische Typen“ beschrieben hat, da ist sie sich heute noch sicher, zahlreiche Fotos von Bürgern türkischer Herkunft vor: Es gebe ja die „türkische Mafia“ und deren „Geldwäschereien“, wird ihr erklärt. Näher dran war die Polizei wohl nie an Mundlos und Böhnhardt.