Nur wenige Herthaner aus der Pokal-Mannschaft von 1993 schafften den Sprung ins Profileben: Wenn aus "Bubis" keine Männer werden

Am 12. Juni 1993 drückte ihnen ganz Fußball-Deutschland die Daumen. Die Mannschaft der Hertha-Amateure hatte sensationell den Einzug ins DFB-Pokalfinale geschafft. Dort unterlag man vor 76 391 Zuschauern im Berliner Olympiastadion Bayer Leverkusen unglücklich mit 0:1.Der Augenblick hatte schon etwas Erhebendes. Vielen lief es eiskalt den Rücken hinunter: Die elf namenlosen Jung-Herthaner, von der Presse "Bubis" getauft, hatten sich beim Abspielen der Nationalhymne eng umschlungen. "Wir halten zusammen, wir zeigen es auch den Profis aus Leverkusen, dem haushohen Favoriten" wollten die Fiedler, Ramelow und Holzbecher damals signalisieren. Im Finale des DFB-Pokals hielten sie lange ausgezeichnet mit, die ganz große Sensation blieb aber aus.Doch der Verein Hertha BSC, dessen Profi-Team damals lange klar im Schatten der eigenen Amateure stand (die kreierten sogar ihr eigenes Pokal-Parfüm), hatte mit dieser jungen Truppe voller ehrgeiziger Spieler angeblich eine goldene Zukunft vor sich.Heute, nur gut zwei Jahre später, sieht die Realität viel düsterer aus. Nur Fiedler, Ramelow, die beiden Schmidt-Zwillinge und Meyer haben den Sprung zu den Profis geschafft und spielen dort eine mehr oder minder wichtige Rolle. Andere sind über den Status eines Amateurs nicht hinausgekommen, noch andere sind fast gänzlich in der Versenkung verschwunden.Karsten Nied war mit 24 Jahren damals der Kapitän einer Mannschaft, über deren geniale Pokalstreiche sogar Zeitungen im fernen Singapur berichteten. Er stand im Finale Ulf Kirsten auf den Füßen, wechselte dann zu Tennis Borussia. Später ging er zum FC Gütersloh (Regionalliga West-Südwest) und hatte bis zur Saison 1995/96 einen Zweijahres-Vertrag. Er entwickelte sich aber zum "Bankdrücker", wurde mit Frau Anja und Töchterchen Sharon nicht heimisch. Feste Größen Ab Juli 1995 wollte er wieder in Berlin spielen. Aber es gab keine Einigung über die Freigabe, und auch keinen Verein, der die Ablösesumme zahlen wollte. "Am liebsten würde er wieder bei Hertha spielen", sagt seine Frau. Doch Karsten Nied ist derzeit ohne Verein.Torwart Christian Fiedler war 1993 der Jüngste im Team. Heute ist er die klare Nummer 1 im Tor der Hertha-Profis und hat wohl von allen Finalisten die kontinuierlichste Entwicklung genommen. "Er ist ehrgeizig und trainingsfleißig", lobt ihn Trainer Heine.Ayhan Gezen, geboren in Istanbul, aber in Berlin aufgewachsen, schaffte trotz einiger Anläufe nicht den Durchbruch. Trainer Heine gab ihm immer wieder Chancen, sich zu beweisen. Gezen spielt noch bei den Hertha-Amateuren, liebäugelt immer wieder mit einem Wechsel in die Türkei.Sven Kaiser stand noch zu Saisonbeginn im offiziellen Profi-Aufgebot der Berliner, rutschte aber inzwischen zu den Amateuren des Vereins ab. Der nochmalige umgekehrte Weg scheint nicht in Sicht.Andreas Schmidt und Zwillingsbruder Oliver sind feste Größen in der ersten Mannschaft von Karsten Heine. Beide gehören zur deutschen U-21-Auswahl. Dort und bei Hertha hat Oliver derzeit die besseren Karten. Bruder Andreas stagniert. "Es ist ein Problem des Kopfes", meint der Trainer.Sven Meyer , der elegante Libero, wird bestimmt seinen Weg machen. Zu Saisonbeginn mußte er seinen Posten als letzter Mann an Neuzugang Steffen Karl abgeben, ist aber immer eine Alternative für den Trainer.Carsten Ramelow ist der Mann mit dem höchsten Bekanntheitsgrad. Manager von Bayer-Calmund bis Werder-Lemke hatten ihn schon auf der "Einkaufsliste". "Kämpfer vor dem Herrn" Bei Hannes Löhr in der U 21 ist er eine feste Größe, bei Karsten Heine auch. Doch Ramelow, das größte Talent der einstigen "Bubis", muß endlich zum Mann werden. Seine Potenzen hat er noch lange nicht ausgeschöpft.Oliver Holzbecher war als 15jähriger in der Jugend-Nationalmannschaft. Der "Kämpfer vor dem Herrn" spielt jetzt bei den Reinickendorfer Füchsen in der Regionalliga. Füchse-Trainer Gerd Achterberg: "Für uns unbedingt ein Gewinn. Er ist lauf- und spielfreudig."Gerald Klews, der kleine Dauerläufer war bei der Hertha so was wie ein Joker, kam aber "ganz oben" nicht zurecht. Jetzt spielt er beim Regionalliga-Spitzenreiter 1. FC Union.Wolfgang Kolczyk ist noch immer Stammspieler bei den Hertha-Amateuren, für Heine aber kein Thema mehr.Zum Kreis der "Bubis" gehörten auch noch einige andere. Sascha Höpfner spielt beim norddeutschen Regionalligisten Kickers Emden. Daniel Lehmann bleibt wohl ein "ewiges Talent", ist Angreifer bei Hertha Zehlendorf. Und der eisenharte Verteidiger Andreas Zimmermann versucht sein Glück auch beim 1. FC Union.Nur einige der "Bubis" sind im harten Profigeschäft zu echten Männern geworden. Auch die, die es vermeintlich geschafft haben, stehen unter Druck. Trainer Karsten Heine: "Die lange Zeit der Streicheleinheiten ist vorbei. Die müssen endlich durch." Gemeint sind vor allem Ramelow und die Zwillinge namens Schmidt.Und der Trainer selbst? Karsten Heine kennt die "Bubis" ganz genau, hat sie gemeinsam mit Jochem Ziegert geführt und die Besten zu den Profis übernommen. Dieses Insiderwissen bringt Vor- und Nachteile. Heine weiß, wie er jeden anpacken muß, kann aber bei soviel Vertrautheit auch Kumpelhaftigkeit nicht vermeiden. Auch er steht in der Kritik. Die aktuelle Mannschaft muß auch für den Mann spielen, der sich bisher schützend vor sie stellte. +++