Ärztestreik in Berlin: Ist das wirklich nötig?

Ja, ist es, und zwar deutlich dringender als der Streik der Piloten. Obwohl mancher Mediziner von  Flugkapitänen durchaus noch etwas lernen könnte.

Ambulante Ärzte haben am Mittwoch in Berlin gestreikt, um gegen Kürzungen im Budget zu demonstrieren.
Ambulante Ärzte haben am Mittwoch in Berlin gestreikt, um gegen Kürzungen im Budget zu demonstrieren.imago/Westend61

Viele Patienten kennen das: Wenn man versucht, einen Arzttermin zu bekommen, ist es meist doch eher eilig. Krankheiten, zumal akute, also solche, die der dringenden Behandlung bedürfen, halten sich kaum an Zeit- und Urlaubspläne und sind auch durch noch so gutes Zureden der Verwandtschaft oder durch noch so barsche Absagen von Sprechstundenhilfen nur selten davon abzubringen, ohne Behandlung zu eskalieren oder auch arglistig zu chronifizieren. Sprich: Wer krank ist, braucht meist halt doch einen Arzt, der ihm zeitnah hilft.

Dieser Umstand passt allerdings so gar nicht zum Personalnotstand in Pflege und mittlerweile auch Medizin, und er passt auch nur schwerlich in die Sparpläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ergo möchte dieser nun die von seinem Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) 2019 eingeführte Regelung, wonach Ärzte Neupatienten im Gegensatz zu Bestandspatienten mit den Kassen voll abrechnen können, wieder abschaffen. Die Regelung war eingeführt worden, damit Neupatienten nicht monatelang auf Termine warten müssen.

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Gegen diese Abschaffung wurde am Mittwoch in zahlreichen Berliner Arztpraxen gestreikt beziehungsweise lud die Kassenärztliche Vereinigung zu einem „Weiterbildungstag“. Gemessen daran, dass der Mittwoch in deutschen Praxen eh nur ein halber Tag ist, war das fast noch ein Warnstreik. Und klar: Für Patienten kann es – je nach Schweregrad und Dringlichkeit der Erkrankung – extrem ärgerlich bis sogar gesundheitsgefährdend sein, am Mittwoch nicht zum Arzt zu können. Doch das wird noch viel öfter passieren und Schlimmeres, wenn das Gesundheitssystem nicht bald von Grund auf verbessert wird. Im Zuge der Corona-Krise wurde meist nur vom Notstand in den Kliniken berichtet. Doch die ambulante Versorgung steht mittlerweile auf ebenso wackeligen Beinen, und die Personalnot ist auch dort mit Händen greifbar.

Deshalb sollten Ärzte hierzulande mindestens so effektiv streiken wie die Piloten, sie sollten allerdings noch eines von ihnen lernen: In der Luftfahrt herrscht ein ganz besonderes Augenmerk auf eine effiziente Fehlerkultur. Wenn dies in der Medizin auch Einzug halten könnte, dann dürften Ärzte meinetwegen noch viel öfter streiken – um die Auswüchse unseres kaputtgesparten Gesundheitssystems zu offenbaren.