Katja Lange-Müller nennt ihre Unterschrift unter den Emma-Brief einen Fehler

In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung kritisiert sie den belehrenden Ton gegenüber der Ukraine.

Die Schriftstellerin Katja Lange-Müller schreibt lieber langsam als schnell.
Die Schriftstellerin Katja Lange-Müller schreibt lieber langsam als schnell.dpa-Zentralbild

Die Berliner Schriftstellerin Katja Lange-Müller distanziert sich von ihrer Unterschrift unter dem offenen Brief, der Ende April von der Zeitschrift Emma veröffentlicht wurde. Es ist jener Brief, der den Bundeskanzler Olaf Scholz auffordert, „weder direkt noch indirekt, weitere schwere Waffen an die Ukraine“ zu liefern. Auf diesen folgte inzwischen einer, der das Gegenteil fordert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Katja Lange-Müller, in der DDR geboren, 1984 nach West-Berlin ausgereist, beginnt ihren Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung autobiografisch. Bei den alten Frauen, die vom Kriegsende erzählten, habe sie die Angst vor den Russen gesehen. Auch später noch rechnete man im Osten bei Aufmüpfigkeit mit einer Reaktion aus der Sowjetunion. Da darf man an den 17. Juni 1953 denken oder an das Ende des Prager Frühlings. Die Autorin schreibt: „Zu meiner Angst davor, dass die Lawine der russischen Angriffswut auch uns überrollen könnte, stehe ich. Doch dass ich den Brief der Zeitschrift Emma an Bundeskanzler Scholz unterschrieben habe, quält mein Gewissen.“

Eine Reise nach Estland habe sie erkennen lassen, dass die Unterschrift ein Fehler war. Verhandlungen zu fordern, um Augenmaß zu bitten, finde sie nach wie vor richtig. „Aber musste der von mir mitunterzeichnete Brief die grund- und schuldlos Angegriffenen, also die Ukraine, quasi zur Kapitulation auffordern“, fragt sie, „sie darüber belehren“, dass sie eine Mitverantwortung für die Eskalation trügen, nur weil sie sich wehren?

Katja Lange-Müller ist eine großartige Autorin mit genauer, eigentümlicher Sprache, sensiblem Rhythmusgefühl und strenger Erzählökonomie. Wer die verknüpften Erzählungen „Verfrühte Tierliebe“, angesiedelt im Ost-Berlin der 70er, wer den 80er-Jahre-Roman „Böse Schafe“ gelesen hat, weiß das und verehrt sie dafür. Sie ist keine, die jedes Jahr neu auf dem Buchmarkt präsent ist, weil sie lange an ihren Texten feilt. Seit ihrem letzten Buch „Drehtür“ sind sechs Jahre vergangen, das flinke Unterschreiben ist nicht ihr Metier.