Hat Anne Spiegel eine zweite Chance verdient? Ich finde nicht. Eine Spitzenpolitikerin, die angesichts einer Katastrophe ihre eigenen Interessen über das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ihres Bundeslandes stellt, hat ihre Job Description nicht verstanden. In ihrer Rolle als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz hat Spiegel bei der Ahr-Katastrophe jedenfalls kläglich versagt, und es macht die Sache keinesfalls besser, dass sie nun private Gründe für ihr Fehlverhalten vorschiebt und angibt, ihre vierwöchige Urlaubsreise zum Wohle ihres Mannes angetreten zu haben.
Der hatte vor rund drei Jahren einen Schlaganfall. Natürlich ist es verständlich, wenn man sich als Arbeitnehmer, Arbeitnehmerin um das Wohl seiner Angehörigen kümmert. Bekleidet man aber eines der höchsten Ämter eines Staates, so gelten diese Regeln einfach nicht mehr – zumal nicht im Angesicht einer furchtbaren Katastrophe mit 134 Toten.
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Politikerin ist eben kein Job wie jeder andere, liebe Frau Spiegel
Sicherlich haben Politiker immer mal wieder private Interessen über die ihres Amtes gestellt. Der amerikanische Präsident Donald Trump verbrachte angeblich mehr Zeit auf seinem Golfplatz auf seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida als in Washington, und schon Konrad Adenauer nahm sich eine tägliche Auszeit für einen Mittagsschlaf. Aber Ersterer war immerhin zu seiner Zeit der mächtigste Mann der Welt und seit Konrad Adenauer haben sich die Zeiten sehr geändert.
Ein Politiker steht heute unter ganz anderer Beobachtung als noch zu Adenauers Zeiten und muss sich darüber im Klaren sein, das sich Affären und Affärchen innerhalb kürzester Zeit zu einer Krise auswachsen können. Offensichtlich ist sich Anne Spiegel all dieser Veränderungen nicht bewusst, oder aber sie glaubt, dass Politiker auch nur ein Job wie jeder andere sei. Einer mit mehreren Wochen Urlaub und einem Chef, der dreimal rügt, bevor er abmahnt. Beide Haltungen würden sie für das Amt einer Ministerin diskreditieren.
„Es beweist sich erneut: Für Frau #Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der #Bundeskanzler muss sie entlassen.“ (tm) https://t.co/1cO5Uynd2k
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) April 10, 2022
Was sie aber ganz sicher untauglich macht dafür, ist das offensichtliche Fehlen von Instinkt, den man erwarten kann bei einer Politikerin. Mit diesem mangelnden Gespür hat sie ihre Person und das Amt der Ministerin nachhaltig beschädigt, vor allen Dingen im öffentlichen Ansehen. Spätestens nachdem Armin Laschet sich mit seinem Grinsebild im Katastrophengebiet ins Aus katapultiert hat, hätte Anne Spiegel wissen müssen, was auf sie zukommt, und hätte zurücktreten können. Jetzt entscheidet der Druck der Öffentlichkeit über ihre Zukunft.