Claudia Roths Machtwort zur Documenta kommt viel zu spät

Mit ihrem jüngsten Statement zur Documenta versucht Claudia Roth, Verantwortung zu übernehmen. Das wird die Probleme in Kassel nicht lösen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises.IMAGO/Eventpress Fuhr

Das Drama um die Aufarbeitung der Antisemitismus-Vorwürfe bei der Kunstausstellung Documenta hat sich längst in eine Farce verwandelt. In einer kaum mehr zu entwirrenden Kette des kommunikativen Versagens hatte am Mittwoch Sabine Schormann, die Generaldirektorin der Documenta, in einer sehnlichst erwarteten Erklärung zur Aufklärung beizutragen versucht. Vergeblich. Ihre quälend zu lesende Chronologie der Ereignisse mündet schließlich in halbherzigen Entschuldigungen und der Formulierung von Gegenvorwürfen.

Das indonesische Kuratoren-Kollektiv Ruangrupa, das letztlich die Installation eines riesigen Banners mit antisemitischen Motiven zu verantworten hat, blieb während der ganzen Zeit in seinen Einlassungen stets ausweichend und nebulös. Und auch Schormanns Botschaft konnte man nur noch als Dokument der Verzweiflung lesen, in dem sie beteuert, alles richtig gemacht zu haben.

Wenn Kulturstaatsministerin Claudia Roth angesichts solch eines miserablen Krisenmanagements nun ihr Erstaunen und Befremden gegenüber dem Schreiben Schormanns zum Ausdruck bringt und in Zweifel zieht, ob diese eine „lückenlose Aufklärung, wie es zur Aufstellung eines eindeutig antisemitischen Kunstwerkes bei dieser Documenta kommen konnte“, leisten könne oder wolle, dann stellt sich die Frage: Warum erst jetzt?

Schormann als Schutzschild für andere?

Der Skandal um die Documenta ist nicht erst seit ihrer desaströsen Eröffnung auch einer des beteiligten politischen Personals, darunter auch Kulturstaatsministerin Roth, Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne) und Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). Zuletzt konnte man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass Schormann nur noch im Amt gehalten wurde, um als Schutzschirm für höherrangige Politikerinnen und Politiker zu fungieren.

Bei der Bewertung des Debakels mit Anlauf wird es nun einer schonungslosen Selbstaufklärung seitens der politisch Verantwortlichen bedürfen. Im Kern wird es darum gehen müssen, warum die ideologische Aufladung, die sich hinter dem Stichwort vom globalen Süden verbirgt und mit der leichtfertig ein manifester linker Antisemitismus in Kauf genommen zu werden scheint, übersehen werden konnte. Derzeit aber ist niemand mit politischer Prokura in Sicht, der das Trümmerfeld der Begriffe zu lichten vermag, auf dem Rassismus, Kolonialismus und Antisemitismus wie vermaledeite Zaubersprüche kursieren, die nichts mehr zu bannen vermögen.