Gender-Pay-Gap: Besseres Verhandlungsgeschick gilt nicht mehr, liebe Männer!
Dass Frauen ein Fünftel weniger Gehalt bekommen als Männer, dürfte nach einem wegweisenden Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Zukunft schwieriger werden. Ein Kommentar.

Das Argument hört man alle naselang: Frauen seien in Deutschland doch längst gleichberechtigt – trotz des statistischen Nachweises der ewigen Gehaltslücke von sieben bis 20 Prozent. Wer weniger verdiene als ein Mann, der habe wohl schlecht verhandelt - oder sei bestimmt in Teilzeit oder arbeite halt einfach weniger oder sei schlechter qualifiziert. Diesem Geschwätz hat das Bundesarbeitsgericht nun endlich einen Riegel vorgeschoben.
Von einem Meilenstein für die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt sprachen denn auch die Anwältinnen der 44-Jährigen aus Dresden, die sich mit ihrer Klage durchgesetzt hat und von ihrem Arbeitgeber, einem sächsischem Metallbetrieb, nun eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von fast 15.000 Euro sowie eine Entschädigung erhält. Die Vertrieblerin hatte nämlich festgestellt, dass zwei männliche Kollegen je 500 bis fast 900 Euro mehr Lohn im Monat bekamen als sie selbst. Ihr Arbeitgeber hatte diese Unterschiede mit längerer Betriebszugehörigkeit im einen und „besserem Verhandlungsgeschick“ im anderen Fall begründet.
Letzteres lasse auf eine Diskriminierung schließen, urteilte das höchste Gericht, denn bei gleicher Tätigkeit könnten nur objektive, geschlechtsneutrale Gründe wie Qualifikation oder Berufserfahrung eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen.
Warum besteht dann trotzdem noch in so vielen Fällen eine Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen? Weil die bisherigen Gesetze offenbar nicht ausreichen beziehungsweise nicht eingehalten werden – und weil wir hierzulande auch gesinnungsmäßig bei der Gleichberechtigung immer noch hinterherhinken, an vielen Stellen. Das Entgelttransparenzgesetz etwa, das es erst seit 2017 gibt, gilt als zahnloser Tiger, weil es eh nur für Betriebe ab 200 Beschäftigten gilt, die meisten Firmen aber weniger Mitarbeiter haben. Dass also seit 2017, wie damals erwünscht, jeder Arbeitnehmer Auskunft über die Gehälter der Kollegen bekommen kann, ist keine gängige Praxis, die bürokratischen Hürden sind weiterhin hoch.
Auch die Tariflöhne, mit denen meist gegen eine Schlechterstellung von Frauen im Berufsleben argumentiert wird, sind schon lange kein Garant mehr für eine gleiche Bezahlung. Wer bezahlt denn heute noch nach Tarif? Nach Auskunft des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist das gerade mal ein Viertel der Betriebe.
Alle anderen Argumente für oder gegen gleichberechtigte Bezahlung sind schon seit fast einem halben Jahrhundert ausgetauscht und bringen genauso lange dieselben misogynen Ansichten hervor, nach denen Frauen halt einfach nicht so wirklich für die Arbeitswelt geschaffen sind und doch lieber zu Hause die Kinder aufziehen sollten. Am Ende läuft es immer darauf hinaus. Zumindest in Deutschland, einem peinlichen Schlusslicht der genderegerechten Bezahlung in ganz Europa. Nur Estland, Lettland und Österreich zahlen ihre berufstätigen Frauen noch schlechter, alle anderen EU-Staaten stehen laut Statistischem Bundesamt im Vergleich besser da, auch die südlichen.
Eine neue EU-Richtlinie ab Sommer soll es Firmen nun schwerer machen, ihre Mitarbeiterinnen schlechter zu bezahlen, und Frauen leichter, die Gehaltsunterschiede offenzulegen sowie im Falle des Gender-Pay-Gap Entschädigungen zu erhalten. Eigentlich ein Armutszeugnis für Europa, dass all dies 2023 noch nötig ist.
Die Klägerin aus Dresden hat jedenfalls gezeigt, dass es sich für Frauen immer noch lohnen kann, mutig gegen Widerstände ihre Rechte durchzusetzen – denn das Bundesarbeitsgericht hat mit seinem höchstrichterlichen Urteil die ablehnenden Urteile der vorherigen Instanzen einkassiert. Der jetzige Richter war im Übrigen: eine Frau.