Gerhard Schröder im Kanzleramt: Lasst ihn hängen!

Wie alle deutschen Bundeskanzler ist auch Gerhard Schröder in der Ahnengalerie des Kanzleramtes verewigt. Das Bild stammt von Jörg Immendorff. Soll es nun weg?

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder 2007 im Bundeskanzleramt neben dem Kanzler-Porträt von Jörg Immendorff.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder 2007 im Bundeskanzleramt neben dem Kanzler-Porträt von Jörg Immendorff.dpa/Peer Grimm

Zugegeben: Das Wortspiel wirkt schon abgegriffen, noch ehe es vollständig ausgesprochen ist. Soll man den Alt-Kanzler canceln? So oder ähnlich hat es sich jetzt auch der frühere Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gefragt und eine schnelle Antwort gefunden: „Ich glaube nicht, dass es würdig ist, dass neben erfolgreichen Kanzlern der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder, so wie er sich aktuell der Weltöffentlichkeit zeigt, noch präsentiert werden kann.“ Dobrindt bezeichnete den Ex-Kanzler als „russischen Söldner“, der keine deutschen Interessen vertrete. „Man sollte darüber nachdenken, ob nicht sein Porträt im Kanzleramt abgehängt werden soll“, sagte er.

Nachdenken, das schon. Die öffentliche Wahrnehmung und Selbstdarstellung des früheren Bundeskanzlers, der zwischen 1998 und 2005 als Repräsentant der sogenannten 68er-Generation verspätet in die Regierungsverantwortung gelangte, ist beschämend und desaströs, nicht nur für seine sozialdemokratische Partei. Wobei die besondere Pointe darin besteht, dass das umstrittene und als energiepolitischer Fehler inzwischen offenkundige Großprojekt Nord Stream 2 in all seinen Verästelungen erst unter der Kanzlerschaft von Schröders Nachfolgerin Angela Merkel gereift ist.

Wie alle Kanzler zuvor ist auch Gerhard Schröder, dargestellt in einem Porträt, in der Ahnengalerie des Kanzleramtes verewigt. Fertiggestellt hat es kurz vor seinem Tod der Düsseldorfer Künstler Jörg Immendorff, den Schröder sich als Porträtisten gewünscht hatte. Immendorff zeigt Schröder als golden schimmernden Heiligen mit Nimbus, im Hintergrund ist der berühmte „Malaffe“ des Künstlers sowie ein etwas derangierter Bundesadler zu sehen.

Das Kunstwerk als Ausdruck einer Epoche

Die nicht öffentlich zu besichtigende Ahnengalerie des Kanzleramtes zeigt alle Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, derzeit noch ohne Angela Merkel. Die Porträts zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Zugriffsarten zeitgenössischer Künstler aus. Jedes Werk bildet den jeweiligen Regierungschef in seiner Zeit ab, sichtbar wird so auch der künstlerische Ausdruck der wechselnden Epochen.

Eine symbolische Auslöschung verbietet sich daher sowohl aus politischer wie aus kunsthistorischer Sicht. Die Porträts sind Momentaufnahme und Abschluss einer politischen und kulturellen Phase. Die Würde des Augenblicks kulminiert im Werk. Die Würde, die die Porträtierten durch ihr Tun und Lassen später verlieren mögen, ist keine Frage der Kunst. Zur Demokratie gehört es am Ende auch, mit der Geschichte eines Kanzlers oder einer Kanzlerin fertig zu werden, die nach dem Ausscheiden aus dem Amt nicht endet.