Igor Konaschenkow ist die Stimme des Krieges

Mit dem Charme eines Sprechautomaten verkündet der russische Militärsprecher Putins die Nachrichten vom Krieg. Eine Bildbeschreibung.

Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, aufgenommen auf dem Luftwaffenstützpunkt Hamaimim in Syrien. 
Generalmajor Igor Konaschenkow, Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, aufgenommen auf dem Luftwaffenstützpunkt Hamaimim in Syrien. imago/Russisches Verteidigungsminiterium

Leonid, so nannten wir in unserer Volleyballmannschaft die Schaumstoffmatratze, die wir zu Übungen heranzogen. Das war bereits eine Zweckentfremdung, eigentlich diente sie als Hochsprung-Unterlage. Für uns aber sollte sie eine unüberwindliche Hürde am Netz darstellen. Auf den Namen Leonid waren wir gekommen, weil uns die Matte an Leonid Breschnew erinnerte. Der war zwischen 1964 und 1982 Generalsekretär der Einheitspartei KPdSU und von 1977 bis 1982 als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets Staatsoberhaupt der UdSSR. Geboren in Kamenskoje, war Breschnew ukrainischer Nationalität. Das alles interessierte uns wenig, für uns war Breschnew das, wofür wir die Matratze einsetzten: ein starres Monument aus einer anderen Zeit.

An Leonid muss ich denken, wenn ich Igor Jewgenjewitsch Konaschenkow beim Verrichten seiner Arbeit sehe. Als Putins Militärsprecher tritt der hoch dekorierte General nicht zuletzt als Orakel in Erscheinung. Während er hierzulande als Propagandist wahrgenommen wird, soll er, so nehmen wir an, russische Staatsbürger über den Verlauf des Spezialoperation genannten Krieges und dessen Erfolge informieren.

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Die Botschaft wird verkündet, nicht interpretiert

Meine Leonid-Assoziation wird vermutlich durch die Uniform ausgelöst, wie Breschnew agiert Igor Konaschenkow als eine Art staatlich bestelltes Verlautbarungsorgan, in dem die Objektivität der vorgetragenen Daten gewissermaßen körperlich eingeschrieben ist.

Konaschenkows Auftreten wird hierzulande eher als Karikatur wahrgenommen, weil es selbst im Vergleich zu einer betont trockenen Präsentation von Nachrichten, für die in der ARD über viele Jahre Karl-Heinz Köpcke stand, einen grotesken Widerspruch darstellt. Köpcke war ein Mann vornehmer Eleganz, der noch in seiner Sprecherrolle Charme und Esprit versprühte. Konaschenkows Berufung indes scheint an die Bedingung eines weitgehenden Verzichts auf charakterliche Eigenheiten geknüpft. Die Botschaft wird verkündet, nicht interpretiert, performative Reduktion ist ihr hervorstechendes Merkmal.

Nichts deutet in dem Machtgefüge, das Konaschenkow repräsentiert, auf Kooperation und Spielräume des Gesagten hin. Undenkbar, dass eine kommunikative Panne zum Gegenstand eines politischen Disputs würde, wie unlängst im Anschluss an eine Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz und dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas.

Es wäre müßig, den performativen Reichtum einer Demokratie als Indiz einer Systemüberlegenheit ins Feld zu führen. Faszinierend ist vielmehr der beharrliche Verweis auf eine Differenz, das ganz Andere der Welt, die er zu erklären vorgibt.