Achtung, Trigger-Warnung! Es geht um Suizid. Zumindest am Rande, denn ich kenne inzwischen mehrere Menschen aus dem deutschen Gesundheitswesen, die zwar nur hinter vorgehaltener Hand, aber dennoch mit Überzeugung sagen: Bevor ich mich als alter Mensch so pflegen lasse, wie es bei uns inzwischen Usus ist, scheide ich lieber freiwillig aus dem Leben.
Hinter dieser Aussage steckt sehr viel Sprengkraft – und ein paar irrige Annahmen: Erstens unterschätzen viele, gerade auch wenn sie in der Altenpflege oder im Krankenhaus tätig sind, wie lebenswert das Alter sein kann. Weil sie so oft mit Alten zu tun haben, die sehr gebrechlich, furchtbar krank oder auch lebensmüde sind.
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Wie diese Alten oder Kranken sich hingegen fühlen oder aufleben können, wenn sie zu Hause sind, in ihren eigenen vier Wänden oder mit ihren Liebsten, soweit noch vorhanden, wissen sie nicht. Sie sehen Patienten oft nur noch als Fälle – und können sich kaum vorstellen, dass oder wie viele von ihnen abseits der Kliniken oder Heime sehr wohl noch ein lebenswertes Leben führen können. Das ist ein echtes Problem. Die Schönheit des Alters ist uns abhanden gekommen.
Das Thema der Patientenverfügung
Zweitens überschätzen viele ihren Einfluss auf ihren weiteren Lebensweg – und auf ihr Lebensende. Niemand von uns weiß, wann es ihn oder sie erwischt. Ob man mit Mitte 30 vom Bus überfahren wird, mit Mitte 50 an Herzinfarkt stirbt, oder mit Ende 70 ein so schweres Leiden bekommt, dass man noch jahrelang auf die Pflege anderer angewiesen ist, bevor man stirbt.
Wenig davon hat mit Lebensführung zu tun, auch wenn sich das viele so wünschen. Und wie genau eine Patientenverfügung aussehen muss, damit sie im Falle eines Unfalles oder plötzlichen schweren Leidens genau so umgesetzt werden kann, wie der Betroffene es sich wohlgemerkt zu diesem Zeitpunkt wünscht (und nicht vorher als gesunder Mensch, denn das kann ein großer Unterschied sein), wissen auch die wenigsten.
Wir sollten uns mehr für Pflege interessieren
Es ist daher leider nicht in unserer Hand, wie und wie lange wir im Alter leben. Aber wie wir versorgt werden, sollten wir auf Hilfe angewiesen sein, das müssen wir genau dann beschließen und daran arbeiten, solange wir noch dazu in der Lage sind. Die Politik kümmert sich seit Jahrzehnten nicht darum, wie man am Pflegenotstand sieht, der immer schlimmer wird anstatt besser.
Wenn wir im Alter auch nur halbwegs gut versorgt sein wollen, dann müssen wir das heute adressieren. Uns dafür interessieren. Und nicht den Kopf in den Sand stecken. Das ist die schlechteste Möglichkeit von allen.
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