Die Wahrheit über Benjamin von Stuckrad-Barre
Schon möglich, dass Benjamin von Stuckrad-Barre demnächst eine Romanfigur namens Mathias Döpfner erfindet. Aber letztlich geht es wohl doch wieder um ihn selbst.

Benjamin von Stuckrad-Barre war Anfang 20, als er mit Texten über Pop und schnelles Leben auch in der taz reüssierte. Das Talent war offensichtlich, aber auch seine Unzuverlässigkeit. Er mochte es nicht, wenn der zuständige Musikredakteur ihm geduldig zu erklären versuchte, warum ein Text nicht funktionierte. Manchmal überarbeitete er – oder auch nicht.
Wenig später, gegen Ende der 90er-Jahre, zählte Benjamin von Stuckrad-Barre trotz des nicht gerade fancy klingenden Nachnamens zu jenen Autoren, die die Gattungsbezeichnung Popliteratur buchstäblich mit Sound füllten. „Soloalbum“, „Livealbum“ und „Remix“ hießen seine ersten Bücher, unter deren Titeln „Roman“, „Erzählungen“ und „Texte“ stand. Sie enthielten hell ausgeleuchtete Wahrnehmungen des gleichsam zum Exzess bereiten wie einfühlsamen Autors.
Früher einmal Buddys
Man wäre nicht auf die Idee gekommen, von Schlüsselromanen zu sprechen, im Zentrum stand immer der 1975 in Bremen geborene Benjamin von Stuckrad-Barre – alle anderen waren alle anderen. Man sollte also nicht auf die Einlösung dieser Gattungsbezeichnung setzen, wenn es nun spekulativ in einem Bericht des Manager Magazins heißt, er sitze an einem Roman über Mathias Döpfner, den Vorstandsvorsitzenden des Verlagskonzerns Springer.
Döpfner und Stuckrad-Barre waren einmal „buddys“ – man traut sich nicht recht, das altmodische Wort „Freunde“ auszusprechen. Nach einer für Döpfner heiklen E-Mail über seinen frühen Angestellten Julian Reichelt und die DDR in uns allen sind sie es nicht mehr. Benjamin von Stuckrad-Barre aber scheint etwas übrig zu haben für die Gefühlslagen, die nur Männer teilen. Sein Roman „Panikherz“ handelt von der innigen Beziehung des Autors zu Udo Lindenberg, der in Sachen Ego-Energie selbst einem wie Stuckrad-Barre um Längen voraus ist.
Der Schlüsselroman – ein fragwürdiges Genre
Trotz der Neugier, die er auslöst, ist der Schlüsselroman ein fragwürdiges Genre. Bis heute ist sich die Literaturwissenschaft nicht einig, ob Klaus Manns Roman „Mephisto“ nun gute Literatur sei oder Beachtung nur erhalten habe, weil der Autor darin mit dem Schauspieler Gustaf Gründgens abrechnet. Martin Walsers „Tod eines Kritikers“, in dem es unübersehbar um Marcel Reich-Ranicki geht, wurde zum Skandaltitel, der Walser bis heute mit dem Verdacht antisemitischer Haltung konfrontiert.
Das Manager Magazin berichtet nun von Rechercheanfragen, die Gesprächspartner des Blatts zur Person Döpfners von Stuckrad-Barre erhalten haben. Recherche? Hier bahnt sich eine ganz neue Dimension im Werk des einstigen Pop-Autors an.