Klar darf die finnische Ministerpräsidentin feiern. Meinetwegen mehrere Nächte am Stück und mit so viel Unterstützung durch Alkohol oder andere chemische Substanzen, wie es ihr gefällt, und ob sie dabei mit einem Sänger wo auch immer Kontakt hat, geht nur sie und vielleicht noch ihren Mann etwas an.
Auch ob die 47-jährige Gattin des russischen Kreml-Chefs nachts die Korken knallen lässt oder in Griechenland Geschirr zerschlägt, wäre mir herzlich egal. Wären da nicht diese Weltkrisen gerade überall.
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Es ist nämlich leider so, dass man es auch hierzulande einem Christian Lindner erst erklären muss, dass seine Protz-Hochzeit, für die der Steuerzahler mit aufzukommen hat, obwohl auf Anfrage noch nicht einmal die Höhe der Security-Kosten genannt werden kann, und der sich zudem kirchlich trauen ließ, obwohl er nie Kirchensteuer gezahlt hat, vielleicht doch etwas unangemessen wirkt. Gerade inmitten der derzeitigen Krisensituation. Genauso gönnt man jedem seine Vorliebe für Porsche – solange eben jener nicht für und offenbar mit Porsche Politik macht und gleichzeitig in der Regierung sitzt. Bei Politikern stellt sich eben immer die Frage: Passen ihre Worte zu ihren Taten? Werden sie ihrer Verantwortung gerecht?
Und genau das ist auch der schale Geschmack, den eine Sanna Marin hinterlässt, wenn inmitten einer Welt-und Wirtschaftskrise plus Pandemie Bilder von derart ausgelassenen Partys auftauchen. Zu normalen Zeiten hätte nur die Boulevardpresse danach gekräht, aber jetzt liegen die Dinge etwas anders. Auch in Finnland sorgen sich die Bürger darum, ob sie im Winter ihre Wohnung noch heizen können oder ob bis dahin ohnehin schon die Atombombe kommt oder ob sie wegen Corona wieder eingeschränkt werden – auch durch eine Politik, die weltweit zunehmend auf Verbots- und Angstszenarien zu setzen scheint.
Deshalb geht es hier einmal nicht um Feminismus und ob man eine junge Frau gegen moralinsaure Spaßverderber verteidigen muss, sondern um ein Problem, das uns noch lange beschäftigen wird: Wenn die Politik nicht endlich anfängt zu verstehen, dass das Auseinanderdriften von Arm und Reich und die damit verbundenen sozialen Verwerfungen und die Angst der Mittelschicht vor dem sozialen Abstieg nicht noch durch ihre eigene Dekadenz befeuert werden dürfen, dann darf sie sich über nichts mehr wundern.