Gas und Energie sparen ist das Gebot der Stunde. Durch den Krieg in der Ukraine wird schlagartig klar, wie viele Branchen von einer verlässlichen Zufuhr von kostengünstigem Gas abhängen. Aber auch schon vorher, vor rund 20 Jahren, blieben eine Reihe energieintensiver Betriebe von der EEG-Umlage ausgenommen, die die Entwicklung regenerativer Energieerzeugung stützen sollte.
Ohne eine solche Subventionierung sah man die Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen gefährdet. Dabei zeichnen sich gerade diese energieintensiven Betriebe dadurch aus, dass sie riesige Mengen an nutzbarer Abwärme einfach in die Umgebung blasen. Das bedeutet nicht nur einen zu hohen Energieverbrauch, sondern auch unnötig hohe CO₂-Emissionen in die Atmosphäre. Den Preis für diese Verschwendung bezahlt langfristig vor allem unser Klima.
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Damit wir die Zusammenhänge bei energieintensiven Betrieben besser verstehen, ist ein Seitenblick auf die thermischen Kraftwerke hilfreich. Der Zweck dieser Anlagen besteht darin, aus thermischer Energie (oder Wärme) elektrische Energie zu erzeugen. Die Güte dieses Wandlungsprozesses von thermischer in elektrische Energie wird durch den thermischen Wirkungsgrad gemessen. Er vergleicht die erzeugte elektrische Energie mit der dafür eingesetzten thermischen Energie.
So erreicht ein modernes Steinkohlekraftwerk einen thermischen Wirkungsgrad von etwa 46 Prozent, das heißt, aus 1000 MW Wärmeleistung entstehen 460 MW elektrischer Leistung. Die Ingenieure, die diese Anlagen bauen, wissen durchaus, wie man dieses ungünstige Verhältnis verbessern könnte. Mit einer höheren Temperatur des Arbeitsmediums – im Fall eines Steinkohlekraftwerks ist das Wasserdampf – können höhere Wirkungsgrade und damit eine höhere Ausbeute an elektrischer Energie erzielt werden.
Aber für diese Temperaturen gibt es keine Stähle und Werkstoffe, die diesen extremen Betriebsbedingungen dauerhaft standhalten. Ein deutlich besserer thermischer Wirkungsgrad gelingt zurzeit nur mit einer Gasturbine, kombiniert mit einem Dampfprozess. Keramische Werkstoffe erlauben eine Höchsttemperatur des Arbeitsmediums von etwas über 1300 Grad Celsius. Der erreichte Wirkungsgrad von über 60 Prozent ist Weltrekord. Leider lässt sich dieser Rekord nur mit sauberem, staubfreiem Erdgas verwirklichen.

Ungenutzte Abwärme wird in Flüsse und die Atmosphäre geleitet
Andere Wärmekraftmaschinen wie Motoren für Autos, Schiffsantriebe, Strahltriebwerke für Flugzeuge erreichen diese Wirkungsgrade nicht. Oft bleiben sie unter 30 Prozent. Insgesamt können moderne thermische Kraftwerke als Meisterwerke der Ingenieurskunst bezeichnet werden. Alle Oberflächen des Dampferzeugers, der Turbine, der Dampfleitungen und der Rauchgaskanäle sind konsequent isoliert, damit die Verluste an die Umgebung möglichst klein bleiben. Intern sind viele Details beachtet, die einen möglichst hohen Ertrag an elektrischer Leistung sicherstellen.
Die verbliebenen Abwärmeströme über das Kühlwasser und das Rauchgas sind, bezogen auf das Beispiel oben, mit 540 MW sehr groß. Ihre Temperatur ist jedoch im Vergleich zur Umgebung so niedrig, dass nur vereinzelte Nutzungen noch sinnvoll sind, wie etwa die Beheizung von Schwimmbädern oder Gewächshäusern in direkter Nachbarschaft. Der größte Teil dieser Energie mit niedriger Temperatur muss schließlich in Flüsse abgeleitet oder in die Atmosphäre abgegeben werden.
Elektrische Energie und Leistung haben grundsätzlich andere Eigenschaften als thermische Energie und Leistung. So lässt sich elektrische Energie vollständig in thermische Energie umwandeln – aber nicht umgekehrt. Einige Beispiele sind elektrische Kochplatten, Toaster, Heizstrahler. Elektrische Energie lässt sich hingegen vollständig in mechanische Energie umwandeln – und umgekehrt. Beispiel: Elektromotor. Mechanische Leistung als Generatorantrieb führt zur selben elektrischen Leistung. Natürlich gibt es auch bei diesen Vorgängen Verluste. Aber die bleiben im Bereich niedriger Prozentpunkte und sind nicht grundsätzlicher Natur.
Zurück zu den energieintensiven Betrieben: Bei diesen geht es um Stoffe und Produkte, deren Herstellung den Einsatz großer Mengen an thermischer oder elektrischer Energie erfordert: Stahlproduktion, Zementherstellung, Metallverarbeitung, Papierherstellung. Mit der Fertigstellung des Produktes endet aktuell meist das Interesse an der eingesetzten Energie. Aus erforderlicher Energie wird lästige Hitze, die nur schnell und billig weg muss.

Abwärme aus Industrie sollte genutzt werden
Zwei Beispiele sollen das Problem verdeutlichen. Bei dem heutigen Hochofenprozess zur Erzeugung von Stahl wird das Eisenerz aufbereitet zu einem gesinterten Granulat aus Erz, Kalk und Kohle. Ein Gasbrenner zündet eine Schicht des kalten Gemisches. Die Schicht brennt allmählich durch. Am Ende erreicht das gesinterte Granulat eine Temperatur von 750 Grad. Im Sinterkühler blasen große kalte Luftströme das Sintermaterial so weit herunter, dass ein Gummibandförderer es in Richtung Hochofen abziehen kann.
Der Gummibandförderer verträgt nicht mehr als etwa 60 bis 70 Grad Celsius. Als Größenordnung sei angegeben, dass zur Abkühlung des heißen Stroms von Sintermaterial ungefähr eine Million Kubikmeter Umgebungsluft eingesetzt wird und sich dabei auf etwa 180 Grad erwärmt. Das entspricht einer Wärmeleistung von 50 MW, die ungenutzt in die Umgebung geblasen wird. Würde man bei dem relativ hohen Temperaturniveau des Sintermaterials diese Wärme auf einen Dampfkreislauf übertragen, könnten ungefähr 12 MW elektrische Leistung kontinuierlich erzeugt werden. Betrachtet man die Produktion des Sintermaterials und seine Abkühlung als verfahrenstechnisch notwendig, könnte diese elektrische Leistung als CO₂-frei erzeugt, also regenerativ angesehen werden.
Wird der Hochofen zusammen mit anderen Zuschlagstoffen mit dem Sintermaterial beschickt, wird das vorher abgekühlte Material auf etwa 1800 Grad aufgeheizt. Das passiert wieder durch die Verbrennung von Kohle und die entsprechende Emission von CO₂. Gäbe man das heiße Sintermaterial – zumindest zu einem wesentlichen Teil – direkt vom Sinterband in den Hochofen, könnte man die Energie zur Abkühlung und Wiederaufheizung einsparen. Die Kohle zur Erzeugung von 50 MW thermischer Leistung bräuchte man nicht zu verbrennen.
Das Beispiel zeigt, dass der Energieeinsatz zur Stahlerzeugung allein aus dem Blickwinkel der Produktion und den verfahrenstechnischen Notwendigkeiten gesehen wird, die sich daraus ergeben. Bei stark steigenden Brennstoffpreisen und im Blick auf das Klima muss das Verfahren und der Umgang mit der Abwärme jedoch überdacht werden. Dabei ist die Produktion von Sintermaterial nur ein Beispiel von vielen, bei dem zur Bearbeitung des Stahls sehr hohe Temperaturen benötigt werden. Immer wieder bleiben nach dem verfahrenstechnischen Schritt große, qualitativ wertvolle Wärmemengen übrig, die zur Erzeugung elektrischer Energie oder zu Heizzwecken genutzt werden sollten.

Energiezufuhr erfolgt durch Verbrennung von Kohle, Gas und Müll
Diese produktbezogene Denkweise im Umgang mit Energie zeigt sich auch an einem von vielen Beispielen aus der Zementindustrie: Als grundlegender Vorgang wird Kalkstein (CaCO₃) erhitzt. Bei ungefähr 800 Grad zerfällt Kalkstein in Branntkalk (CaO) und Kohlendioxid (CO₂). Der heiße Branntkalk wird in einen Drehrohrofen geleitet und dort bis auf etwa 1400 Grad weiter aufgeheizt. Dabei versintert das Material zu sogenanntem Klinker. Mit rund 1000 Grad fällt der Klinker schließlich aus dem Drehrohrofen in einen Klinkerkühler. Die Kühlung erfolgt, wie im Stahlbereich, über kalte Umgebungsluft, die schließlich wieder in die Umgebung geblasen wird.
Die Energiezufuhr, die all diese Temperaturerhöhungen vom Kalkstein bis zum Klinker bewirkt, geschieht über eine konventionelle Verbrennung von Müll, Kohle, Gas oder dem, was sonst kostengünstig als Brennstoff eingesetzt werden kann. Die dabei freigesetzte Menge an CO₂ macht ungefähr ein Drittel der Gesamtmenge aus, die bei der Zementproduktion entsteht. Aus einem Drehrohrofen fallen bei großen Anlagen zum Beispiel 5000 Tonnen Klinker pro Tag an. Würde man einen relevanten Anteil der großen Wärmemenge an einen Dampfkreislauf übertragen, könnten kontinuierlich etwa 10 MW elektrische Leistung erzeugt werden – ohne zusätzlichen Brennstoffeinsatz, also CO₂-frei.
Nur diese beiden Beispiele machen aber auch den Grund deutlich, warum diese Möglichkeit nicht längst genutzt wurde. Zur Nutzung der Abwärme sind zusätzliche Anlagen erforderlich, die gebaut, betrieben, gewartet und bezahlt werden müssen. Zudem handelt es sich um eine produktionsfremde Technik, die sich nicht ohne weiteres in die normalen Produktionsabläufe einfügt; es braucht zusätzliche technische Expertise.
Bei energieintensiven Betrieben geht es nicht um Kleinigkeiten, wie sich aus der Produktionsstatistik für Deutschland für 2020 ergibt, zum Beispiel: 44 Millionen Tonnen Rohstahl oder 35 Millionen Tonnen Zement. Es gab 165 Betriebe in der Stahlindustrie und 54 Zementwerke. Ein neues Denken über eine sinnvolle Energienutzung wird einen erheblichen Beitrag zur Lösung der aktuellen Energieproblematik leisten.
Prof. Dr. Ulrich Schmoch ist Projektleiter des Bereichs „Neue Technologien“ am Fraunhofer-Institut für Innovationsforschung (ISI). Sein Bruder, Dr. Manfred Schmoch, ist selbstständiger Berater für Umwelt- und Energietechnik.
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