Ex-CIA-Agent: „Der Einfluss der USA im Nahen und Mittleren Osten schwindet“
Robert Baer war Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA. Er analysiert den Deal zwischen China, Iran und Saudi-Arabien sowie den Nord-Stream-Anschlag im Interview.

Robert Baer ist ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA, der in seiner aktiven Zeit im Irak, in Syrien und im Libanon eingesetzt wurde. Heute arbeitet er als CNN-Kommentator, Sicherheitsanalyst und Autor. Seine Bücher „See No Evil“ und „Sleeping with the Devil“ lieferten die Vorlage für den 2005 fertiggestellten Film „Syriana“. Die Figur des Bob Barnes, gespielt von George Clooney, wurde Robert Baer nachempfunden. Baer ist auch als Lobbyist aktiv, unter anderem für den ukrainischen Militärgeheimdienst. Mit ihm sprach Ramon Schack.
Herr Baer, in Peking haben Iran und Saudi-Arabien neulich damit begonnen, ihre spannungsgeladenen Beziehungen zu normalisieren.
Richtig, Riad und Teheran sind dabei, die seit 2015 unterbrochenen Beziehungen wieder zu aktivieren. Das ist an sich schon eine Sensation. Was hierbei aber von Bedeutung ist, ist nicht nur die Tatsache, dass die sunnitische und die schiitische Regionalmacht ihren Konflikt einfrieren. Wichtig sind vor allem die damit verbundenen geopolitischen Implikationen.

Zum Beispiel?
Natürlich in erster Linie die tektonischen Verschiebungen am Persischen Golf, der damit verbundene Aufstieg Irans und Saudi-Arabiens, die Chancen auf ein baldiges Kriegsende im Jemen. Vor allem aber: Der Deal Chinas könnte geostrategisch völlig neue Perspektiven für den Nahen Osten eröffnen, mit weltweiten Auswirkungen.
Könnten Sie die Auswirkungen für die Region des Nahen und Mittleren Ostens erläutern?
Im jemenitischen Bürgerkrieg sind beide Seiten tief involviert. Der dortige Krieg zwischen der Regierung und den Huthi-Rebellen gilt als eine der aktuell größten humanitären Katastrophen, wobei es den Westen nie viel geschert hat. Durch Vermittlung und Druck von beiden Seiten könnte der Konflikt zumindest entschärft werden, vielleicht sogar beendet. Im Libanon unterstützt Saudi-Arabien natürlich die sunnitischen Parteien, während Iran logischerweise die schiitische Hisbollah als Verbündeten protegiert. Eine Annäherung könnte dem politisch tief zerstrittenen und in einer schweren Wirtschaftskrise steckenden Land helfen, einen Aussöhnungsprozess anzusteuern. In Syrien wird Präsident Baschar Assad profitieren: Er wird seit Ausbruch des Bürgerkrieges vom Iran unterstützt, Riad dagegen ist auf der Seite der Rebellen. Nach dem verheerenden Erdbeben gab es eine Annäherung. Und Riad ist wohl dabei, wieder mit Assad Kontakt aufzunehmen. Grob skizziert ist hiervon auch die Politik der USA betroffen, die der Israels natürlich auch, denn deren Strategie bricht gerade zusammen.
Sie meinen die Strategie, zusammen mit den sogenannten moderaten Staaten, womit Saudi-Arabien und die Golf-Monarchien gemeint sind, Iran zu isolieren?
Genau, wobei die genannten Staaten ja niemals moderat waren.
Es handelt sich hierbei also um eine Zäsur, die Washingtons schwindenden Einfluss in der Region symbolisiert?
Absolut. Und Pekings wachsenden Einfluss verdeutlicht. Chinas wachsende Macht in der Region basiert dabei weniger auf der Stärke Chinas, sondern vielmehr auf der Schwäche Washingtons.
Inwiefern?
Die Flucht der USA aus Afghanistan im Spätsommer 2021 hat den Verbündeten Washingtons deutlich gemacht, wie schnell man vom Weißen Haus fallen gelassen wird. Zusätzlich stellt der „War on Terror“ , der ja vor über 20 Jahren pathetisch verkündet wurde, heute das Scheitern eines strategischen Entwurfs dar. Sonst müssten wir uns nicht über den Terror unterhalten, der sich globalisiert hat. Der „Krieg gegen den Terror“ war von Anfang an völlig falsch konzipiert. Das lag weniger an geheimdienstlichen Mängeln, sondern hängt mit der Inkompetenz der damaligen Führung in Washington zusammen. Die Chinesen werden zukünftig eine wichtige Rolle im Nahen und Mittleren Osten spielen.
Gestatten Sie bitte noch eine Frage zu der Sprengung der Pipeline Nord Stream 2, die in Deutschland natürlich für Diskussionen sorgt.
Bitte, nur zu.
Seymour Hersh hatte behauptet, die USA selbst steckten hinter diesem Anschlag, während Washington kürzlich fragwürdige Untersuchungsergebnisse präsentierte, die auf eine angeblich „proukrainische Gruppe“ hindeuten.
Nun, zunächst hatte das Weiße Haus den Bericht des Enthüllungsjournalisten Seymour Hersch, wonach die USA hinter dem spektakulären Zerstörungsakt stecken sollen, als „komplett erfunden“ zurückgewiesen. Dann wurden diese eigenen Untersuchungsergebnisse präsentiert, die man auch als Reaktion interpretieren kann. Ich kann Ihnen diesbezüglich nur raten, sich daran zu erinnern, was der US-Präsident schon vor Monaten geäußert hatte, als Bundeskanzler Olaf Scholz zu Besuch in Washington war, nämlich dass Nord Stream 2 niemals ans Netz gehen würde, wenn Russland in die Ukraine einmarschiert.
Vielen Dank für das Gespräch.
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