Richard Brenner (Name geändert) erinnert sich noch an den Tag im Jahr 2006, als seine damalige Frau ihn verlassen hat. „Morgens habe ich noch die Kinder in die Schule gebracht, abends war unser Haus vollkommen leergeräumt.“ Auch die beiden Söhne, damals fünf und acht Jahre alt, hatte sie mitgenommen. Nach einer Klage kehrten die Kinder zurück zu ihm ins Haus. Alles andere behielt seine Ehefrau. „Ich hatte weder Klamotten noch Spielzeug für meine Söhne“, sagt der Berliner.
Die beiden einigten sich darauf, sich abwechselnd um die Kinder zu kümmern. Das funktionierte nur anfangs. „Sie fing an, mir die Kinder vorzuenthalten und nicht mehr zurückzubringen“, sagt der 49-Jährige. Sie zeigte Brenner wegen angeblicher Kindesmisshandlung an. Der Umgang fand daraufhin nur noch begleitet statt. Im Sommer 2008, zwei Jahre nach der Trennung, erfolgte dann die Scheidung der siebenjährigen Ehe. Ein Jahr später hatte der IT-Administrator wieder alle 14 Tage regelmäßigen Umgang.
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In den zwei darauffolgenden Jahren besuchte ihn der ältere Sohn immer häufiger heimlich, abseits des Umgangs. Im November 2012 zog er ganz zu ihm. „Im Jahr 2006, als die Kinder ein ganzes Jahr lang bei mir wohnten, habe ich keinen Unterhalt verlangt. Auch nicht, als mein großer Sohn zu mir zog. Als die Kinder jedoch bei ihr waren, kam sofort eine Klage auf Unterhalt.“ Als Brenner eine Zeitlang arbeitslos war, sei der Unterhalt sogar bis zum Hartz-IV-Satz gepfändet worden. „Es wird mit zweierlei Maß gemessen.“
Wenn die Kinder dann zum Umgang kamen, war kaum Geld übrig. „Unter der Woche habe ich von Konservendosen gelebt, damit meine Kinder am Wochenende etwas zu essen hatten.“ Heute habe er zu seinen 23- und 20-jährigen Söhnen ein gutes Verhältnis.
Leben am Existenzminimum durch Unterhaltszahlungen
Auch Thomas Wilcken (Name geändert) aus Münster lebt als Trennungsvater von vier Kindern zweier Mütter am Existenzminimum. „Ich zahle insgesamt 1000 Euro Unterhalt. Und benötige ja auch Geld für den Umgang“, sagt der Sozialpädagoge. Da er seine Kinder von Donnerstag bis Montag betreut, arbeite er lediglich 32 Stunden. Der Selbstbehalt für unterhaltspflichtige, erwerbstätige Elternteile, die nicht mehr als 1900 Euro netto im Monat verdienen, liegt laut „Düsseldorfer Tabelle“ aktuell bei 1160 Euro.
Während es für Alleinerziehende viele Erleichterungen und Beratungsstellen gäbe, seien unterhaltspflichtige Väter oft auf sich allein gestellt. „Man lässt mich als Vater gegen die Wand laufen“, klagt Wilcken. „Ich lebte zwei Jahre lang in bitterer Armut, da mich niemand darüber aufgeklärt hat, dass ich als Hartz-IV-Empfänger eine temporäre Bedarfsgemeinschaft anmelden kann.“
Hierbei erhält der getrennt lebende Elternteil, der Hartz IV bezieht, für jeden Tag, an dem sich das Kind mehr als zwölf Stunden bei ihm aufhält, anteilig 1/30 des Regelsatzes. Dies ist im zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB 2) geregelt. So soll die Versorgung des Kindes sichergestellt werden. „Die Gesellschaft interessiert sich nicht für Väter, die am Existenzminimum leben“, sagt der getrennt lebende Vater.
Die Caritas verzeichnet seit Beginn der Pandemie eine wachsende Nachfrage von Elternteilen, die finanzielle Probleme haben. „Aktuell erleben die Beratungsstellen einen großen Andrang, der dazu führt, dass Termine nur mit längerer Wartezeit vergeben werden können, etwa in der Schuldnerberatung“, sagt eine Sprecherin. Auch die Online-Beratung habe nicht genug Kapazitäten, um die Nachfrage zeitnah zu bedienen. „Beratungsangebote können wir aber nur verstetigen und ausbauen, wenn die Finanzierung gesichert ist“, betont sie.
Neben Alleinerziehenden können auch andere Bedürftige die Dienste der Allgemeinen Sozialberatung in Anspruch nehmen. „Hieran können sich alle wenden, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken.“ Wilcken sieht sich auch in anderen Bereichen ungerecht behandelt. Da er nicht kindergeldberechtigt ist, erhielt er den Corona-Kinderbonus nicht. Selbst Wohnungsschulden von über 30.000 Euro wurden ihm nicht angerechnet. „Man würde doch Vätern nicht den Unterhalt bezahlen“, sagte man ihm auf dem Amt. „Mir wurde Haft angedroht, falls ich den Unterhalt nicht zahlen kann. Das war Psychoterror!“

Heute arbeitet der Sozialpädagoge als Coach für Väter, die Hartz IV beziehen. „Was ich erlebe, ist, dass Väter ohne Einkommen Haftbefehle von der Unterhaltskasse erhalten. Parallel klärt man sie nicht darüber auf, dass sie §11b Abs. 7 geltend machen können.“ Stattdessen werden sie mit Unterhaltsschulden belastet. Laut Zahlen des Bundesfamilienministeriums sind 88 Prozent aller Unterhaltspflichtigen männlich.
„Väter werden als Elternteile zweiter Klasse behandelt“, sagt Wilcken. Auch alleinerziehende Männer hätten seiner Meinung nach einen deutlich schlechteren Stand als Frauen. „Viele Väter wollen sich mehr an der Erziehung beteiligen, aber niemand, von den Kindergärten bis in die Ämter, nimmt die Papas mit ins Boot“, sagt er. Laut einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums im Väterreport 2021 gaben nahezu die Hälfte aller befragten Trennungsväter an, dass sie sich selbst gerne mehr um die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder kümmern würden.
„Oft bekomme ich zu hören, dass ich ja schon froh sein könne, meine Kinder von Donnerstag bis Montag betreuen zu dürfen. Sobald ich als Vater auch nur die kleinste Forderung stelle, werde ich sofort als streitsüchtig hingestellt“, sagt der 54-Jährige. In den Köpfen herrsche immer noch der Glaubenssatz, die Mutter erziehe, der Vater bezahle. „Man muss sich seine Betreuungszeit regelrecht erkaufen.“ Wilcken klagt: „Vor Gericht ist die erste Frage immer, ob ich Unterhalt zahle.“ Ob er ein guter und verantwortungsvoller Vater sei, interessiere niemanden. „Die Mütter können sich Urlaubsreisen und Pferde leisten. Ich muss mir dreimal überlegen, ob ich mit meinen Kindern in den Zoo gehen kann“, sagt er.

Eine mögliche Maßnahme: Die negative Kindswohlprüfung
Dirk Volkmann engagiert sich bereits seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Gleichberechtigung in der Erziehung. Der Hamburger setzt sich für eine Modernisierung des Familienrechts ein, ist besonders in der FDP gut vernetzt. „Unsere oberste Forderung ist die negative Kindeswohlprüfung“, sagt er. Während bei der positiven Kindswohlprüfung begutachtet wird, ob eine Maßnahme dem Kind am besten entspreche, wird bei der negativen Kindswohlprüfung eine Maßnahme darauf geprüft, dass sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.
„Welcher Experte soll denn darüber entscheiden, ob eine Erweiterung der Betreuungszeit von beispielsweise vier auf sechs Nächte dem Kindeswohl besser entspricht?“, fragt Volkmann. Seiner Meinung nach solle ein Elternteil nicht erst beweisen müssen, dass es besser für das gemeinsame Kind sei. Volkmann fordert zudem eine Reformierung des Unterhaltsrechts. „Derzeit ist es so: „Nach der ‚Düsseldorfer Tabelle‘ ist das teuerste Modell eine Betreuung von 49 Prozent bei vollem Unterhalt. Das kann nicht sein“, sagt der Diplomkaufmann.
Eine Änderung des „Mutterschutzes“ auf den „Elternschutz“ würde seiner Ansicht nach auch die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die Gefahr von Altersarmut verringern. Volkmann nach müsse man von dem Glaubenssatz „Einer zahlt, der andere erzieht“ wegkommen. „Das ist nicht mehr zeitgemäß. Es kann gesellschaftlich nicht gewollt sein, dass Frauen allein erziehen. Viele haben studiert und sind sehr gut ausgebildet“, sagt er.
Eine erleichterte Anmeldung des doppelten Wohnsitzes sowie die Verankerung der Doppelresidenz in Reisedokumenten und Pässen hält er für überfällig. „Im Melderecht sollten Kinder, die zwei Elternhäuser haben, automatisch zwei Hauptmeldeadressen haben, die auch in den Reisedokumenten und Pässen vermerkt werden“, fordert der Hamburger. Ziehe ein Elternteil um, so könne dieser, bis zu einer Zustimmung des anderen Elternteils, für die Kinder nur eine Nebenwohnung anmelden.
„Die Hürde für Reformen ist unglaublich hoch!“, sagt Volkmann. Seiner Meinung nach fehle es an einer Lobby von Eltern – egal, ob gemeinsam oder getrennt erziehend. „Die meisten Eltern, die heutzutage als alleinerziehend erfasst werden, sind doch tatsächlich getrennt erziehend.“ Andere europäische Länder wie Belgien oder Frankreich, aber auch Staaten der USA, beispielsweise Kentucky und Arizona, seien hier schon deutlich weiter. Dort ist das Wechselmodell bereits als Standard verankert.
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