Siebzehnjährige Schülerin: Haltet die Schulen noch geschlossen!
Schulöffnung trotz hartem Lockdown – ein Paradoxon, findet eine Gymnasiastin aus Marzahn.

Berliner Zeitung/Carsten Koall
Berlin-Mein Name ist Nadia Penzhorn, ich bin eine 17-jährige Schülerin eines Marzahner Gymnasiums, gehe in die 11. Klasse, aber so langsam reicht es! Nachdem am 5. Januar eine Verlängerung und Verschärfung des Lockdowns angekündigt wurde, war für mich und viele meiner Mitschüler fast klar – auch wir werden noch eine Weile zu Hause bleiben. Aber nichts da, falsch gedacht!
Abschlussklassen sollen also ab dem 11. Januar wieder in die Schule gehen – das Unverständnis ist groß. Nicht, dass ich nicht gern zur Schule gehe, aber im Moment sehe ich viel mehr Nachteile als Vorteile. Ich möchte mit den Vorteilen anfangen: Im Präsenzunterricht können die wenigen legalen Schulportale und Plattformen für Videokonferenzen nicht abstürzen. Wissensstand und Fortschritt können besser überprüft werden. Außerdem ganz wichtig: Man seine sozialen Kontakte pflegen, um der Psyche eine Last zu nehmen - wobei auch das sehr gut online funktioniert. Meine beste Freundin lebt in Bayern und ich habe sie seit Monaten nicht gesehen, aber unsere Freundschaft könnte nicht besser sein.
Kommen wir nun also zu den Nachteilen und den meiner Meinung nach aufkommenden Paradoxien. Abschlussklassen sollen also, wenn auch nur in “halber Klassengröße” unterrichtet werden, In meiner Freizeit dürfte ich mich aber nur mit einer Person treffen – erstes Paradoxon. Die Räume werden konstant gelüftet, was natürlich gut ist. Zudem sind dann aber gleichzeitig alle Räume beheizt – gesteuert über die Zentralheizung, also nicht einmal abschaltbar. Wie schlecht das für das Klima ist, ergibt sich wohl von selbst. Priorität hat dieser Faktor aber natürlich nicht. Dass wir dann also wieder frieren dürfen, unter ständigem Luftzug, und zeitgleich irgendwie auch durch die Heizung schwitzen, vor allem unter der Maske, ist ein weiteres Paradoxon.
Mit dem erneuten Öffnen der Schulen kommen dann auch wieder Fahrwege für viele Schüler hinzu. Aber gut, dass wir unsere Kontakte mit öffentlichen Verkehrsmitteln minimieren – nicht wahr? Die individuelle Bearbeitung der Aufgaben in der Zeit, die jeder einzelne benötigt, ist dann natürlich auch nicht mehr gegeben. Das macht mich wohl am meisten traurig – dieser konstante Druck in eine Form und einen Zeitrahmen zu passen. Gerade wir Abschlussklassen haben schon so viele Jahre Schulerfahrung hinter uns, Jahre vor Beginn dieser Pandemie. Wir haben gelernt zu lernen! Und eine ruhige und ununterbrochene Phase zu Hause tut den Abiturvorbereitungen sogar ganz gut. Viele von uns sind hochmotiviert, ihre Abschlüsse zu schaffen - so gut wie möglich oder zumindest so gut wie notwendig. Wir erledigen unsere Aufgaben zuverlässig, weil wir ein Ziel haben!

Das, was uns und dem Infektionsgeschehen am meisten helfen würde, ist das Zulassen ordentlicher Plattformen zum Lernen von zu Hause, denn es ist noch zu früh, um wieder zur Schule zu gehen! Meine Schule benutzt eine App namens Untis Messenger, welche in die App WebUntis integriert ist, und diese App hat das Lernen diese Woche um ein Vielfaches erleichtert! Die ganze Schule ist vernetzt, Informationen und Aufgaben können schnell und einfach weitergeleitet werden. Der Austausch über private Emailadressen ist nicht mehr nötig. Und das Beste daran: Dieses Programm ist noch NIE abgestürzt!
Liebe Politiker, wenn ihr die Schulen unbedingt nächste Woche schon wieder öffnen wollte, dann tut uns Abschluss-Schülern doch bitte den Gefallen und konzentriert euch auf die Schüler, die es nötiger haben als wir. Die Schüler, die noch nicht einmal das Lernen gelernt haben und keine oder kaum Grundlagen besitzen – die Jüngsten unter uns, Grundschüler. Sie sind noch abhängig von ihren Eltern, haben noch nicht gelernt, welche Quellen sie wie nutzen können, um sich selbst zu helfen. Auch ist es für unsere Jüngsten schwierige, jetzt ihre sozialen Kontakte zu halten. Denn ihnen wird schnell langweilig. Und einfach so online mit seinen Freunden zu reden ist, das ist in dem Alter gar nicht so einfach.
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