Was tun, wenn man keine Entscheidungen treffen kann?
Unser Autor, 25, steht vor seiner ersten Berufswahl und ist unentschlossen. Ein psychologisches Modell könnte weiterhelfen - nicht nur in diesem Fall.

Ich bin ein chronisch unentschlossener Mensch. Wenn ich in ein Restaurant gehe, dann gucke ich mir vorher fünf chinesische Restaurants, fünf Italiener und drei Burgerläden an, um dann zu entscheiden. Das braucht bereits viel Zeit, aber mein Gehirn läuft zur Hochform auf, wenn eine Entscheidung ansteht, die relevanter ist, wie zum Beispiel die Berufswahl.
Ich bin 25, am Ende meines Studiums, habe viele Möglichkeiten und weiß selbst nicht so richtig, wo es hingehen soll. Will ich viel oder wenig arbeiten? Will ich am Studienort bleiben, doch zurück in die Heimat, ins Ausland, vielleicht sogar Bangkok? Wie passt das alles zu mir und meiner Freundin?
Da stehen bereits etliche Stellschrauben im Raum, an denen gedreht werden kann, und dann kommt die nicht unwichtige Frage, mit welcher Tätigkeit ich überhaupt mein tägliches Brot verdienen will. Mein Studiengang ist auch einfach zu erraten. Was studiert jemand Unentschlossenes, der sich jede Tür aufhalten will? Wirtschaftsingenieurwesen, den Studiengang, der unter dem Generalverdacht der krankhaften Unentschlossenheit steht, Fachbegriff Abulie.
Dort legt man sich oft noch nicht mal fest, ob Wirtschaft VWL oder BWL ist und ob sich hinter dem Begriff Ingenieurwesen Maschinenbau, Elektrotechnik oder Bauingenieurwesen versteckt. Wenn man dann noch über den Tellerrand schaut, kann man theoretisch auch noch ein Informatiker werden. Als Wirtschaftsingenieur sitzt man nicht zwischen den Stühlen, sondern in der Mitte des Stuhlkreis. Ähnliches gilt aber auch für viele andere Studiengänge.
Die perfekte Lösung – oder eine, die gut genug ist?
Doch wie löst man jetzt eines dieser verkopften Probleme von privilegierten Kids mit Universitätshintergrund? Mit einem einfachen Modell. Der Psychologe Barry Schwartz schreibt in seinem Buch „The Paradox of Choice“, wieso unsere Kultur des Überflusses uns der Zufriedenheit beraubt. In seinem Buch teilt er Menschen in die Kategorien Satisfyer (im Buch: „Satisficer“, Englisch für „Befriediger“) und Maximizer (Englisch für „Maximierer“) auf. Satisfyer sind Menschen, die bei einer Entscheidung nicht nach der perfekten Lösung suchen, sondern nach einer Lösung, die für sie gut genug ist.
Mein Kumpel Basti ist ein Musterbeispiel. Bei ihm werden nicht zehn Restaurants verglichen, sondern das erste genommen, was den Ansprüchen genügt. Im Gegensatz dazu stehen Maximizer, die keine Schwelle haben, die gut genug ist, sondern ihre Wahl immer weiter optimieren wollen. Ich muss nicht noch hinzufügen, dass ich Max heiße, um verständlich zu machen, dass ich ein Maximizer bin. Insgesamt ist man aber nicht ein genereller Satisfyer oder Maximizer, sondern jede Person hat ihre eigenen Spezialgebiete. Bei der einen Person sind es das Handy oder die Bluetooth-Box, bei einer anderen Person ist es mehr die Mode.
Jetzt besteht natürlich die Frage: Ist es besser, ein Satisfyer oder ein Maximizer zu sein? Intuitiv fühlt es sich so an, dass Satisfyer glücklicher sind, weil sie sich weniger Gedanken machen, aber können Maximizer das nicht rausholen, indem sie fundiertere und damit bessere Entscheidungen treffen?
Die Intuition wird von Barry Schwartz im Buch belegt, jedoch mit einer großen Einschränkung. Für eine Studie wurden Arbeitssuchende mithilfe eines Tests als Satisfyer oder Maximizer identifiziert. Die Maximizer steckten mehr Zeit in die Jobsuche und fingen dann in Anstellungen an mit höherem Gehalt als die Satisfyer. Trotzdem waren die Satisfyer anschließend im Durchschnitt mit ihrer Berufswahl zufriedener als die Maximizer. Wenn man eine Kausalität annimmt, ergibt sich daraus, dass man sich, wenn man bei großen Fragen zufriedener sein will, fragen sollte, ob man wirklich weitersuchen sollte oder die bestehenden Optionen doch gut genug sind.
Für mich ist es klar. Ich habe mich schon auf genug Stellen beworben, warte erst mal ab und nutze meine frei gewordene Zeit als Satisfyer.
Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.
Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nicht kommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.