Otto-Lilienthal-Gymnasium wird 100 Jahre alt / "Ehemalige" erinnern sich / Jubiläumsprogramm vom 16. bis 19. Oktober: Hiebe mit dem Rohrstock und ein erster Streik
STEGLITZ Es war der 13. Oktober 1896, als 50 Knaben zum ersten Mal das neuerbaute Schulgebäude in der Lichterfelder Ringstraße 2 betraten. Ein Haus, in dem dann jahrzehntelang nur Jungen unterrichtet wurden. Jetzt besuchen rund 630 Mädchen und Jungen das Otto-Lilienthal-Gymnasium, das von allen nur "Lili" genannt wird."Die Lehrer hatten einen Rohrstock, und wer nicht aufpaßte, bekam Hiebe", erinnert sich Rudolf Neuendorff. Der 89jährige ist vielleicht der älteste noch lebende der "Ehemaligen". Er besuchte von 1920 bis 1926 die Jungenschule und bekennt, daß er nur ein mittelmäßiger Schüler war. Auch manche Ohrfeige hatte er einstecken müssen, und so war er froh, als er ein Jahr vor dem Abitur mit dem Reifezeugnis abgehen konnte. Kontakt zu anderen Klassenkameraden hat er nicht mehr, "durch den Krieg ist alles abgerissen". Zu den ersten Schülern gehörte auch der Sohn des Flugpioniers, Fritz Lilienthal.Der machte von sich reden, weil er mit seinem Fahrrad so rasant über die Gehwege preschte, daß er mehrfach Bußgeld zahlen mußte. Mit den Jahren wurde aus der Realschule eine Oberrealschule. Im Ersten Weltkrieg gingen Schüler und Lehrer an die Front, kehrten nicht zurück. Die Klassen waren nur noch spärlich besetzt. In den 30er Jahren hatte die Schule einen flugbesessenen Direktor. Der ließ nicht nur den Lilienthal-Gleiter nachbauen, sondern erteilte den Knaben sogar praktischen Flugunterricht in Trebbin. 1938 erhielt die Schule dann auch den Namen des Flugpioniers. Als wenige Tage nach Kriegsende, am 4. Juni 1945, das rote Backsteingebäude seine Türen wieder öffnete, saß auch Günter Herzig auf der Schulbank. "Wir hatten Hunger und Angst und froren erbärmlich", denkt er an die ersten Jahre zurück. In dem kalten Winter 1946/47 hatte seine Klasse sogar den wahrscheinlich ersten Schülerstreik organisiert, um mehr Kohlen für die Schule zu erhalten. "Die Klassenbücher von damals belegen die häufigen ,Kälteferien`. Aber wir wollten unbedingt lernen", sagt der 64jährige.Dankbar erinnert er sich an seinen damaligen Klassenlehrer Hugo Lichte. Der sei - wie viele andere Lehrer in der unmittelbaren Nachkriegszeit - kein Pädagoge gewesen, aber ein erfahrener Industriephysiker, der einen phantastischen Mathe- und Physikunterricht erteilte. "Auch viele Jahre nach Schulabschluß hat er uns noch beraten und geholfen", sagt Herzig. Die 17 Klassenkameraden, mit denen er 1950 das Abitur machte, sind ständig in Verbindung geblieben. Sogar aus Österreich und Bayern kamen sie zu den Klassentreffen. Zum Jubiläum ihrer alten Schule hat die 12 b von 1950 eine Ausstellung gestaltet.Aus Lehrermangel durften nach dem Krieg dann auch die ersten Pädagoginnen an der Jungenschule unterrichten. Und seit 1951 werden auch Mädchen aufgenommen. Das altehrwürdige rotgeklinkerte Schulgebäude mit den vier Säulen im Eingangsbereich, den schönen Bodenfliesen und schmiedeeisernem Geländer steht seit 16 Jahren unter Denkmalschutz. Der notwendige Erweiterungsbau mit zahlreichen Fachräumen, Sprach-und Fotolabor, wurde 1985 fertiggestellt.Das 100. Jubiläum ihrer "Lili" feiern Schüler, Lehrer, Ehemalige, Eltern und Gäste anderer Lilienthal- und Partnerschulen vom 16. bis 19. Oktober. Musik- und Theaterveranstaltungen, Sportwettkämpfe, Modenschau und ein großer Ball wurden vorbereitet.Zur Erinnerung an ihren Namenspatron werden auch Fluggeschichten verlesen, ein Lilienthal-Pokal im Hochsprung vergeben sowie Mr. und Mrs. Lilienthal gewählt. +++