Arno Dübel ist tot: So wurde er zu Deutschlands berühmtestem Arbeitslosen

Mit 67 Jahren ist Arno Dübel in Hamburg gestorben. Doch zu landesweiter Bekanntheit brachte er es nicht einfach nur mit Arbeitsverweigerung.

Kippe, Bier und Motto-Shirt: Arno Dübel wusste, wie Inszenierung funktioniert.
Kippe, Bier und Motto-Shirt: Arno Dübel wusste, wie Inszenierung funktioniert.dpa

Diese Beschreibung seiner Person, abrufbar auf der satirischen Internetplattform Stupidedia, hat ihm sicher gefallen: „Arno Dübel, geboren 1956 in Bornum, ist ein deutscher politischer intellektueller Revolutionär, Sänger, Bierbrauer, Philosoph und seines Zeichens Deutschlands erfolgreichster Arbeitsloser. Seine insgesamt über drei Dekaden umfassende Arbeitslosigkeit macht ihn zudem zu einem der wichtigsten Vertreter der Erwerbsuntätigkeitsbranche aller Zeiten. Daher fungiert er als Symbolfigur dieser politischen Bewegung und gilt unter Experten als unumstritten für die politische Wirkung der neueren Zeitgeschichte.“

Nun ist er gestorben, mit 67 Jahren im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Arno Dübel, der Mann, der auf Arbeit schlichtweg keinen Bock hatte und dafür berühmt wurde. Der laut eigenen Angaben seit einer abgebrochenen Malerlehre 1976 durchgängig arbeitslos war. Aber das faule Vor-sich-hin-Schlunzen allein machte natürlich noch keine folkloristisch wie ökonomisch verwertbare TV-Prominenz aus ihm. 

Während die Bild-Zeitung Dübel als „Deutschlands frechsten Arbeitslosen“ titulierte und als vermeintlichen Beweis dafür anführte, dass Betrug mit Sozialleistungen hierzulande zum guten Ton gehört, zeigt ein zweiter Blick, dass mehr hinter seiner Figur steckte. Die Nonchalance, die selbstverständliche Verweigerung, als Hamburger einen Job im 30 Kilometer entfernten Elmshorn anzunehmen („Elmshorn! Das gehört zu Schleswig-Holstein oder so!“) – die macht ihm so schnell keiner nach.

Während Teile der Öffentlichkeit nicht akzeptieren wollten, dass Dübel nicht arbeitete und auch gar nicht nach Arbeit suchte, fand seine Standfestigkeit auch viele Bewunderer: „Bester Mann, er hat das System verstanden“, steht unter dem YouTube-Video aus dem Jahr 2018. Die Null-Bock-Ansage blieb bis zum Schluss seine Existenzsicherung.

Im Hier und Jetzt wurde Arno Dübel, der zuletzt in einem Hamburger Altenheim lebte, durch zwei norddeutsche Podcaster verankert: Jan Böhmermann und Olli Schulz nutzten seinen Elmshorn-Satz als Einspieler für ihr Erfolgsformat „Fest und Flauschig“. Wir haben fünf weitere Dinge ausgemacht, die ihn zur Kultfigur werden ließen.


1. Dübel, der Fernsehstar

„Hallo, ich heiße Arno“, sagt Dübel, vor ihm eine Geburtstagstorte. Die güldene Deko-Dreißig darauf irritiert, hat der Mann zum Zeitpunkt des Videodrehs dieses Alter doch sichtlich lange hinter sich gelassen. „Heute feiere ich mein 30. Arbeitslosen-Jubiläum“, klärt Dübel auf, „ich bin stolz und glücklich, dass ich das noch erreichen durfte. Ich hoffe auf die nächsten 30 Jahre ohne Arbeit!“ Der Clip ist als Einspieler entstanden für einen von Arno Dübels legendären Auftritten: In der Talkshow „Britt“ auf Sat. 1, vermutlich im Jahr 2009, ganz genau weiß das Internet das nicht mehr.

Nach dem Einspieler läuft Dübel mit Plastikkrone ins Fernsehstudio ein, unter tosendem Applaus – und entrüsteten Buh-Rufen. Es sind Auftritte wie diese, die den Langzeitarbeitslosen bekannt, beliebt und gehasst gemacht haben. Zum ersten Mal war der selbstbewusste Hartz-IV-Empfänger 2001 bei „Arabella Kiesbauer“ aufgetaucht, es folgten Auftritte bei Johannes B. Kerner, Maischberger, in der „Münchner Runde“ und eben bei „Britt“; zudem drehte Dübel Einspieler und Clips für die RTL-Produktionen „Deutschlands schrägste Typen“ und „Mitten im Leben“.

Immer dabei: Seine schnodderige „Mir doch egal“-Attitüde. Bei Kerner stritt er sich mit dem rechtschaffenden Ex-Fußball-Manager Reiner Calmund und lachte öffentlichkeitswirksam Zuschauerinnen und Zuschauer aus, die ihm per Mail Jobangebote übermittelt hatten; bei Maischberger stellte er sich als „Deutschlands glücklichster Arbeitsloser“ vor. Eine Rolle, die er nicht nur für sich angenommen, sondern die er im Grunde selbst erfunden hat.


2. Dübel, der Sprücheklopfer

Zu einem gelungenen Auftritt gehören ein selbstsicheres Wesen und die Fähigkeit, bei jeder Gelegenheit den passenden Spruch parat zu haben. Als Hamburger zumal, da darf die Kodderschnauze nicht fehlen. Hier ein paar Preziosen aus Dübels Repertoire, sie Sie sich bitte mit knarziger Kettenraucher-Stimme vorstellen müssten:  

„Arbeiten? Das macht doch so müde. Und ich hab doch Asthma.“ (Dübel im Februar 2011, nachdem er auf einem Betriebshof einen Tag lang Unkraut gezupft und ein bisschen gefegt hatte) – „Sie verdient Geld. Ich mach den Haushalt.“ (2010, als er sich kurzzeitig in eine Kellnerin verliebt hatte) – „Mir geht’s bestens, nachdem der ganze Stress vom Frühjahr weg ist, seh ich auch wieder blendend aus. Bügeln für die Arge tu ich auch nicht mehr. Ich hab doch zu Hause genug Wäsche.“ (nachdem er eine Integrationsmaßnahme inklusive Bügelkurs vom Amt abgebrochen hatte) – „Zum Glück hat sie nicht richtig getroffen, die alte Wachtel.“ (nachdem ihn 2010 eine betrunkene Rentnerin auf Mallorca treten wollte).


3. Dübel, der Schlagerking

Auch musikalisch lebte sich Dübel aus. Oder zumindest versuchte er das: Ein Engagement bei der „Schlagersahne-Party“ in Hamburg im März 2010 sollte sein erster und sein letzter großer Auftritt als Chansonnier sein. Aufgeführt wurden seine im selben Jahr erschienenen Singles „Der Klügere kippt nach“ und „Einer geht noch, einer geht noch rein“. 2011 kam dann noch das Lied „Ich bin doch lieb“ auf den Markt, mit dem sich Dübel wohl versöhnlich zeigen wollte.

Eine Kostprobe: „Ich bin ein super Kumpel, gern für alle da / Auch wenn Nachbars Hund mal raus muss, geh’n wir halt Gassi, wunderbar“. Und dann: „Ich bin doch lieb und hab die Haare schön / Ich bin witzig, nett und sexy und ganz selten nur obszön.“

Sein größter Erfolg sollte die Nicht-Teilnahme am Eurovision Song Contest werden: Dort wollte Dübel 2010 Österreich vertreten. Dass man sich letztlich doch gegen ihn als musikalischen Gesandten entschied, ärgerte den Hobbymusiker schwer. „Die können mich mal, die Ösis“, machte Dübel seinem Ärger in einem Interview Luft.


4. Dübel, der Bierbotschafter

Prominenz, und sei sie auch noch so trashig, will vermarktet werden. Und so dauerte es nicht lange, bis findige und windige Geschäftsleute das schnelle Geld mit dem Faulpelz witterten. 2010 setzte ein mallorquinischer Musikproduzent auf Dübels Zugkraft als Werbeträger und plante gemeinsam mit einer großen deutschen Brauerei ein Bier unter dessen Namen. 

Angedacht war ein Dosenbier im unteren Preissegment, „das trotzdem eine gute Qualität bietet“. Die Abfüllungen waren auch schon klar: „Arno’s Dübel“ hat 0,33 Liter, „Arno’s Mega-Dübel“ 0,5 Liter, die Liter-Dose soll „Arno’s Giga-Dübel“ heißen. Doch das Bier kam nie auf den Markt, was ja dann letztlich auch nur folgerichtig war.


5. Dübel, das lebende Klischee

Wer „Deutschland berühmtester Arbeitsloser“ werden will, muss auch für das passende Setting sorgen. Das wusste Dübel. Also erfüllte der Hamburger nicht nur in seinen Sprüchen das Klischee des arbeitsscheuen Nutznießers: „Ich krich vom Amt“, signalisierte sein Sprüche-Shirt in dicken roten Lettern. Es existieren wenige Bilder von Dübel, auf denen er nicht eine Flasche Bier – präferierte Marke: Beck’s – in der Hand hält; ein sorgsam zurechtdekorierter Aschenbecher quoll verlässlich über.

Wurde Dübel mit Kameras zu Hause besucht, so machte er es sich stets telegen auf dem Sofa bequem, lag da wie hingegossen oder saß mit weit gespreizten Beinen möglichst tief im Polstermöbel – „hier wird entspannt“, das sollte jede Kameraeinstellung sichtbar machen.

Auch wichtig fürs Gesamtbild: Das süffisante Lächeln und der erbaulich in die Höhe gereckte Daumen; eine verschmitzte Attitüde, die ihm neben der Personenbeschreibung „Deutschland berühmtester Arbeitsloser“ in späteren Jahren auch die mediale Einschätzung als „Deutschlands frechster Arbeitsloser“ einbrachte.