Aufessen und raus! Warum immer mehr Berliner Restaurants Zeitfenster einführen
Nach dem Essen noch auf ein paar Getränke bleiben, vielleicht sogar regelrecht versacken – nicht in allen Gastronomien ist das noch möglich. Was steckt dahinter?

Auch in Los Angeles oder New York darf man länger sitzen bleiben. Dort aber ist es vielerorts normal, nach dem guten Essen aufzustehen – und für die Drinks an die Bar zu wechseln. So ist der Tisch für die nächsten Gäste frei; gebucht hatte man ihn ja ohnehin nur für eineinhalb bis zwei Stunden.
Was in zahlreichen Gastronomien im Ausland – nicht nur in den Metropolen der USA, sondern etwa auch in London, Paris, Kopenhagen und Stockholm – zum standardisierten Prozedere gehört, ist in Deutschland noch lange nicht die Regel. Und trotzdem gibt es auch hier immer mehr Restaurants, die an ihre Gäste Zeitfenster vergeben.
„Insbesondere mit Blick auf die rasant steigenden Kosten in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Personal müssen unsere Betriebe mehr denn je genauestens kalkulieren und Wege finden, um ihre Kostensituation in den Griff zu bekommen“, zitiert die Deutsche Presse-Agentur Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehego).
Viele Gastronomien und auch Freizeiteinrichtungen hatten zudem während der Pandemie Erfahrungen mit der Vergabe von Zeitfenstern sammeln können und etwaige Vorzüge erkannt. Interessant ist das System gerade für Lokale in teuren Großstädten, die sich mit hohen Mieten konfrontiert sehen – in manchen Metropolen wie New York, so die Deutsche Presse-Agentur, würden Tisch sogar dreimal am Abend vergeben.
Auch Berliner Restaurants vergeben mittlerweile Zeitfenster
Als Berliner Beispiele werden der Nobel-Japaner 893 Ryōtei auf der Kantstraße, das Trio in Mitte sowie Frühstück 3000 in Schöneberg angeführt. Im Ryōtei lassen sich demnach online Zeitfenster von zwei Stunden buchen, genauso im Trio, wo sich die Reservierungszeit ab einer Gruppe von vier Personen allerdings um eine halbe Stunde verlängere. Wer im angesagten Frühstück 3000 einen der begehrten Tische bestellt, bekomme indes eine E-Mail: „Wir haben Ihren Aufenthalt bei uns mit 1:30 Stunden eingeplant.“
Bei den Gästen in Deutschland, die es bisher gewohnt sind, so lange an einem Restauranttisch sitzen bleiben zu können, wie es ihnen gefällt, kommen solche Vorstöße nicht unbedingt gut an. „Dies ist definitiv nicht das Ende der deutschen Gemütlichkeit“, betont aber Hartges von der Dehego. „Für nachhaltigen Erfolg sind gutes Essen, freundlicher Service und die Wohlfühlatmosphäre die entscheidenden Faktoren.“
Ob sich ein Gastronom für ein solches Modell entscheide, sei vom Standort und vom Konzept des Ladens abhängig. „So gibt es Familien, die gerne das Zeitfenster 17.30 Uhr bis 20.00 Uhr nutzen, andere Gäste ziehen 22.00 Uhr vor und wollen nach dem Essen noch länger zusammensitzen.“ Rechtens sei die Vergabe von Zeitfenstern jedenfalls allemal.
Die Deutsche Presse-Agentur zitiert Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern, die sagt: „Das Reservierungszeitfenster an sich ist rechtlich nicht zu beanstanden.“ Der Juristin zufolge falle dies unter die sogenannte Vertragsfreiheit; Gastwirtinnen und Gastwirte könnten daher „den Zeitrahmen für einen Besuch der Gäste beliebig festlegen“.
Die Juristin aber rät: „Um die Gäste nicht zu verärgern, ist es wichtig, dass dies bei der Reservierung bereits klar und deutlich kommuniziert wird. Zudem sollte dann auch der Service zu dem festgelegten Zeitfenster passen.“ Und: Schöne Tresenplätze für jene Gäste zu haben, die auch nach dem Essen noch ein bisschen versacken möchten, schadet sicher auch nicht.