Erika Lust in Berlin: Wie eine Schwedin den Deutschen das Porno-Gucken beibringen will

Die feministische Erotikfilm-Produzentin Erika Lust will jetzt stärker auf dem deutschen Markt durchstarten. Wir waren beim Berliner Debüt dabei.

Die Porno-Darstellerin María Riot aus Buenos Aires mit einem klassischen Martini
Die Porno-Darstellerin María Riot aus Buenos Aires mit einem klassischen MartiniLust Entertainment

Nostalgisch, frech, aber vor allem wild – so spielte sich der Dienstagabend im Hipsterviertel Berlins ab. Die bekannte, feministisch geprägte Produktionsfirma Erika Lust lud dort zum „Dirty Martini“ ein. Schon der Showroom in der Rosenthaler Straße an sich machte große Versprechen: Im Retro-Stil gestaltet und mit Kerzenlicht ausgeleuchtet hatte man in der Location direkt das Gefühl, zurückgereist zu sein in die sexy Swinging-Sixties.

Bekannte Gesichter waren gegen 19 Uhr noch keine zu sehen, aber zumindest mische sich unter die bereitgestellten Cocktails schon ein Stargast: der Dirty Martini natürlich, der von einem charmanten Barkeeper gemixt wurde. 

60er-Jahre: Bahnbrechende Ära der Befreiung

Warum der Dirty Martini, diese hochpotente Mischung aus Gin und Vermut mit Oliven-Beigabe? Weil so auch der meistgesehene Film der preisgekrönten Porno-Produzentin Erika Lust heißt. Schon wer sich den Trailer anschaut, wird gleich merken: Softness und Wildheit gehen hier Hand in Hand.

Der Film spielt in den 1960ern, einer Ära der sexuellen Befreiung. Sie inspirierte offensichtlich auch die Musikauswahl am Dienstagabend, an dem der Funk auf die Gäste niederprasselte. Die Dekade sei in vielerlei Hinsicht eine bahnbrechende Zeit für die individuelle und kollektive Befreiung gewesen und habe die Menschen ermutigt, sich selbst auszudrücken, heißt es seitens der Erotikfirma.

Alles, was das Herz begehrt – ob Martini mit Erdbeere, ganz klassisch mit Olive oder mit Mango. 
Alles, was das Herz begehrt – ob Martini mit Erdbeere, ganz klassisch mit Olive oder mit Mango. haebmau

Seit 20 Jahren ist die Produzentin und Regisseurin Erika Lust nun schon in der Erotikbranche unterwegs. Mit diversen Plattformen ist sie international bekannt geworden. Ihre Produktionsstätte hat die 46-Jährige zum größten Teil in Barcelona – jetzt will die Filmemacherin auch den deutschen Markt stärker durchdringen.

„Lust“ – das ahnt man schon – ist ein Künstlername. Eigentlich heißt die Schwedin Erika Hallqvist. Ihren Fokus hat sie auf das sexpositive Indie-Erotikkino gelegt, bedacht immer auf das weibliche Vergnügen, filmische Werte, Vielfalt und einen ethischen Produktionsprozess – na, wenn das nicht zu Berlin passt.

Erika Lust möchte damit die Art und Weise ändern, wie Pornofilme konsumiert werden, sagt am Dienstagabend ihre Vertreterin Eva Garcia, die sich um das Marketing der Produktionsfirma kümmert, der Berliner Zeitung. Auch die Darstellerinnen und Darsteller sollen gut bezahlt werden. „Unsere Filme sind wie Kinofilme“, so Garcia. Bevor das finale Drehbuch feststehe, werde mit den Beteiligten über ihre Wünsche und Vorstellungen gesprochen. „Wir reden über Beziehungen, Vergnügungen und Zustimmung“, sagt sie weiter. Jede Darstellerin und jeder Darsteller habe Autorität.

Die Erotikfilm-Produzentin Erika Lust aus Schweden will auch den deutschen Markt erobern. 
Die Erotikfilm-Produzentin Erika Lust aus Schweden will auch den deutschen Markt erobern. Agencia EFE/Imago

Auch die Prominenz blieb an dem Abend nicht aus

Den Gästen am Dienstagabend dürfte dieser Ansatz gefallen: Gegen 20 Uhr traf etwa Leila Lowfire ein; die deutsche Podcasterin ist bekannt für ihre „Nippel statt Hetze“-Kampagne, mit der sie sich für weibliche Selbstbestimmung und gegen Hass im Netz einsetzt. Auch die Moderatorin Vreni Frost war gekommen, sie tritt ebenso mit einem eigenen Podcast für emanzipatorische Themen ein.

Unter den Herren war etwa ein Darsteller der Erika-Lust-Filme vertreten: Jason Steel ist gebürtiger Ost-Berliner. Er ist seit 20 Jahren im Business und hat beim Lust-Film „The Wedding“ mitgewirkt, der im vergangenen Monat Premiere feierte. Steel ist ein großer Fan der Produzentin: „Für Erika zu arbeiten, ist für mich eine Ehre“, sagt er der Berliner Zeitung.

Sexualität – ein Tabu in Deutschland?

Lust komme aus dem Fernsehgeschäft und gehe sehr professionell bei der Produktion ihrer Pornofilme vor, erzählt er. Die Streifen selbst dürften gerade die Deutschen ansprechen, meint er: „Sie locken sie aus ihrer Reserve.“

Die deutsche Erotikindustrie hatte laut Steel ihren Höhepunkte bereits in den 1960ern und 1970er, aber auch noch in den 1990er-Jahren. Mittlerweile nehme zumindest er Sexualität und Sexfilme hierzulande wieder als eine Art Tabu-Thema wahr. Mit Erika Lust könne das Bewusstsein für Sexualität wieder mehr an die Deutschen herangebracht werden. „Wir bringen das einfach wieder schön in Szene“, sagt der Berliner.

Erika Lust: Weitere Auftritte in Berlin

Neben der Filmszene engagiert sich Erika Lust auch für die Aufklärung. Die Regisseurin hat das gemeinnützige Projekt „The Porn Conversation“ mit ihrem Ehemann gegründet. Darüber bietet sie Infomaterial für Eltern und Pädagogen an, das bei der Aufklärung unterstützen soll – angefangen bei der Kompetenz im Umgang mit der allgegenwärtigen Pornografie.

Es gehe vor allem darum, dass junge Menschen zwischen der Realität und der unrealistischen Erzählung, die Pornos erzeugen, zu unterscheiden lernen. Im Juni wird Erika Lust darüber auch auf der re:publica sprechen, der Berliner Konferenz zur digitalen Gesellschaft.

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