Pkw-Maut: Merkel bricht ihr Maut-Versprechen
So viel Klarheit war selten im zurückliegenden Bundestagswahlkampf der Union, wenn auch unfreiwillig: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, versicherte Kanzlerin Angela Merkel im TV-Duell, als sie vom SPD-Herausforderer Peer Steinbrück zu einer Aussage über die Gebührenpläne der Union gedrängt wurde. Heute will Merkel von ihrem Wahlversprechen, abgelegt vor einem Millionenpublikum, nichts mehr wissen. Am Montag kassierte sie ihre Zusage. Eine Maut wird damit immer wahrscheinlicher.
Vortragen ließ Merkel die Relativierung von ihrem Sprecher Steffen Seibert. Er sagte, die Kanzlerin habe die Aussage damals und während des gesamten Sommers immer in den Gesamtzusammenhang gestellt, dass inländische Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden dürften. Eine Pkw-Maut, die inländischen Fahrern neue Kosten aufbürde, habe die Kanzlerin immer abgelehnt. Auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe antwortet ausweichend auf die Frage, ob Merkels Aussage noch gelte: „Für uns ist das entscheidende Fundament auch der Gespräche (...), dass sich CDU, CSU und SPD einig sind, dass es keine Mehrbelastung der Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland geben darf und dass wir eine Verstärkung der Investitionen im Bereich der Infrastruktur brauchen.“
Die Äußerungen zeigen, dass Merkel auf das Modell der Schwesterpartei CSU einschwenkt. Das sieht eine generelle Autobahn-Maut für Pkw in Höhe von rund 100 Euro im Jahr vor, die letztlich aber nur ausländische Fahrer belasten soll. Denn für Inländer ist gleichzeitig eine Senkung der Kfz-Steuer geplant.
Maut könnte mit Steuer verrechnet werden
Offen ist allerdings, ob eine vollständige Entlastung der deutschen Pkw-Fahrer auf diesem Wege überhaupt möglich ist. So beträgt die Kfz-Steuer für kleine und spritsparende Autos oft deutlich weniger als 100 Euro. Die Halter dieser Fahrzeuge müssten daher draufzahlen. Auch deshalb kritisiert die SPD weiterhin öffentlich die Mautpläne der CSU. Intern werden jedoch auch die Vorteile diskutiert und anerkannt. Denn obwohl die Autobahnmaut de facto nur von Ausländern bezahlt werden soll, stünde künftig deutlich mehr Geld für den Straßenbau zur Verfügung.
Das liegt an der geplanten Konstruktion der Maut. Sie soll bei einer Jahresgebühr von rund 100 Euro insgesamt Einnahmen von 4,2 Milliarden Euro einbringen, 700 Millionen Euro davon müssten die ausländischen Pkw-Fahrer aufbringen. Der gesamte Betrag flösse als Abgabe direkt in den Verkehrshaushalt. Über dieses Geld kann der Verkehrsminister also künftig verfügen, ohne wie bisher mit dem Finanzminister verhandeln zu müssen. Die Mindereinnahmen durch die reduzierte Kfz-Steuer belasten dagegen den allgemeinen Bundeshaushalt, weil Steuern ohne Zweckbindung in einen gemeinsamen Topf fließen und dann verteilt werden.
Thüringens Verkehrsminister Christian Carius, CDU-Unterhändler für Verkehr, hält die Maut für denkbar. „Zuerst muss ein neues Finanzierungssystem für die Infrastruktur her, damit die Einnahmen wirklich in die Straße fließen“, sagte er dieser Zeitung. „Dann kann man darüber nachdenken, ausländische Nutzer stärker an der Instandhaltung der Straßen zu beteiligen.“ In der CDU gibt es aber weiterhin Bedenken. So wird vor der Gefahr gewarnt, dass die Maut für den Staat zu einem Verlustgeschäft werden könnte. Denn zunächst müssten alle Pkw bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Nicht jeder Pkw-Fahrer werde aber eine Autobahn-Vignette kaufen. (mit gey., doe.)