Polen: Schmerzensgeld für die letzte Ölung

Mit der Gewissensfreiheit ist es so ein Ding. Für gewöhnlich wird sie vorschnell mit der Glaubens- und Religionsfreiheit kurzgeschlossen. Tatsächlich schützt die Gewissensfreiheit aber nicht nur den Glauben, sondern nicht minder auch den Unglauben – oder doch zumindest den Ungläubigen. Das stellte der Oberste Gerichtshof in Polen jetzt höchstrichterlich fest.

Ein früherer Koma-Patient hatte gegen ein Stettiner Krankenhaus geklagt, berichtet die Katholische Nachrichtenagentur KNA. Nach seiner offenbar unerwarteten Genesung erfuhr Jerzy R. aus den Krankenakten, dass er im Koma von einem Priester mit dem Sakrament der Krankensalbung versehen worden war.

Im Volksmund ist dieser Akt weithin als „Letzte Ölung“ bekannt, weil der Priester für gewöhnlich in allerletzter Minute, oft zu spät, zu Todkranken gerufen wird. Die katholische Kirche sieht die Salbung jedoch in jüngerer Zeit als Sakrament des Lebens. Das Zweite Vatikanische Konzil hat den Schwerpunkt eindeutig auf den Heilungsaspekt verlagert. Wobei Heilung in diesem Falle nicht in erster Linie den körperlichen Aspekt meint, sondern die Befreiung von der Sünde. „Das gläubige Gebet wird den Kranken retten“, heißt es im Neuen Testament.

Im stark katholischen Polen sei es gängige Praxis, dass das Klinikpersonal für einen Patienten in Lebensgefahr einen Priester zur Krankensalbung ruft, informiert uns die Katholische Nachrichtenagentur. Oftmals würden nicht einmal die Angehörigen gefragt. Dieser Automatismus erwies sich jetzt als fatal: Jerzy R. ist Atheist. Nicht allein, dass ihm das Sakrament gar nicht hätte gespendet werden dürfen. Der Betroffene, überraschend und glücklich genesen, erwies sich aus Sicht der Kirche und vor allem des Krankenhauses auch noch als undankbar. Er klagte und bekam recht. Für einen Atheisten stelle die Krankensalbung einen Verstoß gegen die Gewissensfreiheit dar, urteilte das Oberste Gericht.

So weit, so gut. Einigermaßen absurd jedoch ist die Vorstellung, dass der Patient geheilt ist, das Krankenhaus jetzt jedoch dafür Schmerzensgeld zahlen soll. 21000 Euro verlangt der – wie auch immer – geschädigte Jerzy R.. Darüber muss nach dem Grundsatzurteil nun eine niedrigere Instanz entscheiden.