1980er-Jahre: Sehnsuchts- oder Horror-Jahrzehnt?
Wer in den 80er-Jahren aufgewachsen ist, hatte bei den Nachgeborenen bislang denkbar schlechte Karten: Hasselhoff, Modern Talking und U2, Vokuhila-Frisuren, Karottenjeans und Schulterpolster. Ein Jahrzehnt, das von allen guten Geistern verlassen schien und über das man am besten den Mantel des Schweigens deckte.
Nun aber taucht es wieder auf, und zwar dort, wo man sich ganz weit vorne wähnt: im neuen, hippen Serienfernsehen. Ob bei Sky, Netflix oder Amazon – beinahe jeder Kanal hat eine Serie im Angebot, die das Jungsein in den 80er-Jahren zelebriert. Und jede erinnert auf ihre Weise mit Wehmut an unbeschwerte Zeiten ohne Fortnite und Facebook, Videoportale und virtuelle Welten; Zeiten, in denen Freunde noch Freunde waren und kein „soziales Netzwerk“, als man sich die Welt noch mit dem BMX-Rad erschloss und nicht am iPad und das Heranwachsen sowieso ein großes, buntes Abenteuer war.
Und dazu lief eine Musik, die genauso groß, bunt und abenteuerlich war: ABC und OMD, Tears for Fears und die Thompson Twins, Madness und New Order. Wer „Dark“ sieht, „Deutschland 83“ beziehungsweise „Deutschland 86“ und insbesondere die großartige Teenie-Horror-Serie „Stranger Things“, könnte leicht zu dem Schluss kommen, dass die Macher einfach ihre Lieblingssongs genommen und dann eine Handlung drum herum gebaut haben.
Später, gerechter Ruhm
Aber wie das mit Reminiszenzen an die Vergangenheit so ist, entstanden daraus nostalgische Fantasie- und Sehnsuchtsbilder, die nicht ganz der Wirklichkeit entsprechen. Da Fantasie andererseits genau das war, was die Jugend in den 80er-Jahren auszeichnete, ist das freilich absolut erlaubt.
Historisch korrekt gesehen präsentieren die Soundtracks all der coolen 80er-Serien eher nicht die Musik, die die Leute damals gemeinhin gehört haben – sie verhelfen dafür den apokryphen Meistern zu gerechtem, spätem Ruhm: In keiner deutschen Bundeswehrkaserne lief 1983 „Speak Like a Child“ von The Style Council, und Hawkins, Indiana – oder eine entsprechende Kleinstadt im Mittleren Westen der USA – klang seinerzeit auch mehr nach Rick Springfield denn nach den Liverpooler Melancholie-Virtuosen Echo & The Bunnymen. Im Fernsehen kommt das alles gleichwohl super.
Und bei den Nachgeborenen, für die Serien wie „Stranger Things“ nicht zuletzt ja gemacht sind, hat man als Kind dieser lange so schlecht beleumundeten Dekade plötzlich wieder gute Karten.
Alle Heiligen auf einem Wimmelbild versammelt
Freispruch also für alle, die in den 80er-Jahren pubertierten! Das findet auch der New Yorker Künstler Matthew Lineham. Er selbst gehört zwar gar nicht dazu, widmet sich in seinen Bildern und Illustrationen aber „all den Dingen, von denen ich wünschte, sie hätten existiert, als ich ein Kind war“ – mithin jenen Bands und Musikern, die nun wieder ans Tageslicht kommen und den Eighties fast dreißig Jahre, nachdem sie vorüber sind, den guten Namen geben, den sie verdient haben.
Seine Spezialität sind an die Optik von Kirchenfenstern angelehnte Bilder von Stars wie Debbie Harry, Annie Lennox oder Morten Harket von a-ha, „um langsam meine eigene Art von Kirche“ zu errichten. Matthew Linehams schönstes Werk ist jedoch eine Illustration mit dem Titel „Sunday Morning New Wave“, auf der er all seine Heiligen auf einem Wimmelbild versammelt.
Stundenlang könnte man das Bild studieren und rätseln, wer wer – und ob der persönliche Favorit dabei ist. Die Auflösung, die das Original nicht mitliefert, haben wir dennoch angefügt, hinreichend weit weg, um niemandem den Spaß zu verderben. Drei Deutsche sind auch zu sehen. Und nein, der Dritte von links in der fünften Reihe ist nicht Dieter Bohlen.