Das große Stühlerücken: Wer bleibt Bezirksbürgermeister in Berlin?

Wenn sich heute das Abgeordnetenhaus konstituiert, steht das Parlament. Unklar ist noch, wer in den Bezirken bleibt oder geht. Und was das kostet. 

Neuköllns Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) erhebt Anspruch auf den Bürgermeisterposten. 
Neuköllns Sozialstadtrat Falko Liecke (CDU) erhebt Anspruch auf den Bürgermeisterposten. Paul Zinken/dpa

Am heutigen Donnerstag trifft sich das Abgeordnetenhaus zu seiner konstituierenden Sitzung. Ein Antrag wird aber auch schon abgestimmt, in dem es um die Bezirke geht. Dort ist nach der Wiederholungswahl noch vieles unklar. Auch bei den Wahlen zu den Bezirksparlamenten verloren SPD und Linke massiv an die CDU. Sie hat in neun von zwölf Bezirken nun eine Mehrheit. Nur die Grünen haben in den Innenstadtbezirken noch eine Mehrheit, die SPD wiederum in keiner Bezirksverordnetenversammlung (BVV). 

Das wird auch Auswirkungen auf die Bezirksämter haben, in denen Bezirksbürgermeister und Stadträte gemeinsam die Verwaltung innehaben. Wichtig ist hier das Wort Verwaltung: Eigentlich sind alle Stadträte und Bezirksbürgermeister als politische Beamte auf Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode ernannt. Es ist also gar nicht so einfach, sie mittendrin auszutauschen. Treten sie freiwillig zurück, verlieren sie ihre Pensionsansprüche – und das auch für die bereits abgeleistete Amtszeit. 

Ein Gesetzentwurf soll das nun „heilen“: Bezirksbürgermeister, ihre Stellvertreter und Stadträte; alle, die freiwillig zurücktreten, bekommen ihre Bezüge weiter ausgezahlt – bis zum Ende der Legislaturperiode. Das bedeutet, dass sie für das gleiche Geld spazieren gehen, für das ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger im Bezirksamt arbeiten. Das ist eine heikle Situation, aber nur so habe sich der Übergang rechtssicher regeln lassen, heißt es. Es bleibt aber immer noch dabei: Zum Rücktritt zwingen kann man die Betroffenen nicht, es sei denn, es gibt dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Bezirksverordnetenversammlung.

Dennoch zeichnen sich jetzt schon viele Wechsel ab. Klar scheint, dass die beiden linken Bezirksbürgermeister wohl ihre Jobs verlieren, weil es andere Zählgemeinschaften gibt – das ist einmal Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst, aber auch der Pankower Sören Benn. In Lichtenberg wollen sich Grüne, SPD und CDU zusammenschließen. Doch auch in Reinickendorf und Spandau sollen die Bürgermeister wechseln. 

Wackelig ist es auch in Neukölln: Dort hat die CDU von knapp 17 auf über 27 Prozent zugelegt, die SPD von unter 29 auf gut 24 Prozent verloren. Der CDU-Sozialstadtrat Falko Liecke beansprucht jetzt, Martin Hikel (SPD) vom Stuhl des Bezirksbürgermeisters verdrängen zu dürfen. Doch auch das geht nicht ohne Probleme: Zieht Hikel Grüne und Linke auf seine Seite, bleibt er dank mehr Stimmen im Amt.

In Reinickendorf will die stellvertretende Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) den amtierenden Bezirksamtschef Uwe Brockhausen (SPD) ablösen. Die CDU hat hier 11,5 Prozentpunkte zugelegt und mit 40,5 Prozent klar gewonnen. Auch in Spandau muss SPD-Bezirksbürgermeisterin Carola Brückner eigentlich weichen: Die CDU hat 12,3 Prozentpunkte hinzugewonnen und ist mit 39,5 Prozent klarer Wahlsieger. Die SPD verlor 4,4 Prozentpunkte und landete bei 23,3 Prozent.

Nach Streit sieht es auch in Tempelhof-Schöneberg aus. Dort haben Grüne, SPD und Linke eine gemeinsame Zählgemeinschaft vereinbart. Obwohl die CDU mit deutlichem Abstand als klarer Wahlsieger aus den Nachwahlen hervorgegangen ist, soll die SPD künftig den BVV-Vorsteher stellen – „entgegen der parlamentarischen Tradition“, wie die CDU kritisiert.

Der Kreisvorsitzende der CDU Tempelhof-Schöneberg, Jan-Marco Luczak, kritisiert das gegenüber der Berliner Zeitung scharf: „Mit dieser Entscheidung wird das klare Votum der Menschen in Tempelhof-Schöneberg ignoriert.“ Statt des gewollten Politikwechsels gehe es weiter wie bisher, und es komme mit der Linkspartei noch ein wenig sozialistische Garnitur obendrauf. Da werde der Politikverdrossenheit weiter Vorschub geleistet, „wenn selbst ein so klares Wahlergebnis am Ende keine Auswirkungen hat“.

Bezirksbürgermeister erhalten etwa 10.300 Euro monatlich

Luczak fügte hinzu: „Mit den Grünen bricht ausgerechnet die Partei, der ein fairer Umgang miteinander und gute demokratische Gepflogenheiten sonst so wichtig sind, mit der parlamentarischen Tradition, wonach der stärksten Fraktion das Vorschlagsrecht für den Vorsteher in der Bezirksverordnetenversammlung zusteht. Für den eigenen Machterhalt, um ihren Posten des Bezirksbürgermeisters zu erhalten, werfen die Grünen ihre Prinzipien über Bord. Das ist janusköpfig.“

Bürgermeister werden nach Besoldungsgruppe B6 bezahlt und bekommen etwa 10.300 Euro im Monat. Für Stadträte gilt Besoldungsgruppe B4/B5, das sind etwa 9100 bis 9700 Euro. Wie viel die Neuregelung insgesamt kostet, die das Abgeordnetenhaus am Donnerstag in erster Lesung behandelt, ist noch unklar.