Schwarz-Rot macht’s, die Grünen sind beleidigt. Selbst schuld!

Jetzt bekommt Berlin also einen schwarz-roten Senat. Die Grünen schmollen, dabei haben sie eine historische Chance verstreichen lassen. Ein Kommentar.

Bettina Jarasch während einer Pressekonferenz
Bettina Jarasch während einer PressekonferenzSebastian Gollnow/dpa

Nun also Schwarz-Rot. Das Drama um die irre Wiederholungswahl, deren pure Existenz die Ur-Katastrophe der rot-grün-roten Koalition war, das Kopfschütteln über die teils super-knappen Ergebnisse bei dieser Wahl und das Grübeln über die möglichen Konsequenzen daraus geht einem Ende entgegen. Das ist gut.

Aber nicht nur William Faulkner wusste, dass es eine Vergangenheit gibt, die nicht „tot und begraben ist. In Wirklichkeit ist sie nicht einmal vergangen“. Und das stimmt auch für diese Wahl. Eine leidlich funktionierende Landesregierung hat es in einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung geschafft, Hunderttausende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu versorgen, milliardenschwere Hilfspakete zu schnüren, um wenigstens in Berlin niemanden im kriegsbedingt harten Winter im Kalten und Dunkeln sitzen zu lassen, und manches mehr. Diese Regierung ist kaputt. Abgewählt worden.

Und dann hat sich die gescheiterte Regierende Bürgermeisterin, die so lange einer Koalition vorstand, die sie nicht wollte – bitte im doppelten Sinne zu verstehen! –, bewegt. Der Giffey-Move, mal sehen, ob er es in die Geschichtsbücher schafft. Am Dienstagnachmittag lancierte Franziska Giffey, dass sie ihr Amt aufzugeben und zur Koalition als Juniorpartnerin mit der CDU bereit sei. Mitten hinein in die finale Besprechung für einen schwarz-grünen Honeymoon. Dass ihr der Zeitpunkt leidgetan habe, wie Giffey jetzt sagt, darf man getrost als Ausdehnung von Wahrheit auslegen.

Anschließend ließ die SPD die staunende Öffentlichkeit wissen, dass die Grünen ohnehin „stark überwiegende Eigeninteressen“ verfolgten und „im Übrigen in nahezu allen politischen Teilbereichen“ „erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit“ haben aufkommen lassen. Okay!

Und was machen die Grünen? Sie schreiben ein Konterpapier, das sie „Faktencheck“ nennen. Die SPD verwende „verkürzte Aussagen bis hin zur Unwahrheit“? Ach ja? Heul doch! Oder mit anderen Worten: Politik ist kein Ponyhof.

Warum eigentlich haben sich die Grünen von Giffey und der SPD ausspielen lassen? Warum haben sie nicht die historische Chance genutzt und sich mit der CDU zusammengetan, als diese die Tür aufgemacht hat? Beide, CDU und Grüne, hatten zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Chance, eine Regierung ohne SPD zu bilden. Wenn das nicht zieht …

Es ist doch so: Giffey und die SPD hätten alles tun oder sagen können, irgendetwas. Es hätte Grüne und CDU nicht scheren müssen. Und Franziska Giffey wäre seit Mitte der Woche raus gewesen aus dem Spiel. Sie hätte dann – so wie es Bettina Jarasch jetzt tun muss – überlegen müssen, ob sie noch eine Zukunft in der Berliner Politik hat. Ob sie sich die harte Oppositionsbank im Abgeordnetenhaus antut.

Die Grünen haben es nicht gewagt, sie sind nicht gesprungen. Man habe nicht genug Zeit gehabt, sich mit den Schwarzen abzusprechen, Vertrauen aufzubauen. Geschenkt! Tatsächlich hatten sie Angst. Angst vor den eigenen Leuten, die es sich in der selbstgewählten kulturellen Fremdheit mit der CDU seit Jahrzehnten bequem gemacht haben. Nur ja nicht schmutzig machen – da machen sie sich lieber kleiner als sie sind und stehen da wie schlechte Verlierer!

Aber wie sieht es eigentlich bei den vermeintlichen Gewinnern aus? Nun, Kai Wegner hat offen die Grünen-Karte gespielt. Das wäre eine Koalition zum Brückenbauen gewesen, zum Überwinden der Gräben zwischen Innenstadt und Außenbezirken, Radfahrern und Autofahrern, Jung und Alt. All das hat er gesagt und noch viel mehr.

Aber niemand muss sich um das Seelenleben des Kai Wegner sorgen. Am Ende wird es ihm egal sein, wer ihm den Steigbügel fürs Rote Rathaus hinhält. Und seine Leute machen mit. 100 Prozent Zustimmung im Landesvorstand für Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Da wollen welche dringend zurück an die Fleischtöpfe.

Viel dramatischer stellt sich die Lage – mal wieder – bei der SPD dar. Die chronisch zerstrittenen Sozialdemokraten liegen sich längst in den Haaren wegen des Giffey-Moves und überhaupt. Und nach dem Landesparteitag im April, bei dem sich die Landesspitze bestätigen lassen muss, wird man nach dem Superlativ von „beschädigt“ suchen. Auch ein Ergebnis dieser irren Wiederholungswahl.