Berlin: Was Schwarz-Rot für die Baupolitik und die Enteignungsfrage bedeutet

Unterschrieben ist noch nichts, doch CDU und SPD haben sich auf einige Punkte geeinigt. Einer davon: der Umgang mit dem Thema Enteignung.

Bauen, bauen, bauen. Schwarz-Rot will, dass sich was dreht.
Bauen, bauen, bauen. Schwarz-Rot will, dass sich was dreht.Monika Skolimowska/dpa

Nach der Berliner Wiederholungswahl klärt sich der Blick. Das Angebot der SPD für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU ist verbrieft. Am späten Donnerstagnachmittag kam die Führung der Berliner CDU zusammen, um ihre Entscheidung zu verkünden. Der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner hatte bereits am Mittwoch seine Bereitschaft verkünden lassen – und machte es nun offiziell.

Kommt das Bündnis wirklich zustande, könnte Wegner Regierender Bürgermeister werden und die bisherige Amtsinhaberin Franziska Giffey seine Stellvertreterin. Doch so naheliegend die formelle Entscheidung ist, so offen sind auch noch nach drei langen Sondierungsrunden die möglichen Inhalte einer schwarz-roten Koalition. Die Arbeit beginnt erst.

Insbesondere die Bau- und Wohnungspolitik stand in den vergangenen Wochen bei allen Gesprächen in allen nur möglichen politischen Konstellationen und Farbenspielen im Vordergrund. Erste Anhaltspunkte, wo es unter Schwarz-Rot hingehen könnte, finden sich in einem Bericht der SPD-Sondierungskommission. Demnach habe man sich mit der CDU auf bestimmte Punkte festgelegt, auch zu den Themen Enteignung, Wohnungsbau und bezahlbare Mieten.

Besonders umstritten ist in Berlin der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Im SPD-Papier heißt es, man sei sich mit der CDU einig, dass „im Fall eines entsprechenden Votums der Expertenkommission durch die Entwicklung eines Vergesellschaftungsrahmengesetzes“ dem Rechnung getragen werde. 

Beim Berliner Mieterverein, Interessenvertretung von 183.000 Bewohnern Berliner Mietwohnungen und explizit enteignungsfreundlich, ist man skeptisch. Grundsätzlich könne man nach Erfahrungen vergangener Jahre „nicht erkennen, dass ein schwarz-roter Senat den Willen der demokratischen Mehrheit nach Vergesellschaftung“ auch umsetzt, sagt Geschäftsführer Sebastian Bartels im Gespräch mit der Berliner Zeitung.

Dennoch erkenne man sehr wohl an, so Bartels, dass die einst eher vermieterfreundliche CDU im vergangenen Herbst ein weitgehendes Mietenschutz-Papier vorgelegt habe, das unter anderem ein öffentlich einsehbares Mietenkataster vorsehe, das alle Berliner Wohnungen samt ihrer zulässigen Mieten erfasse. Neuvermietungen zu überzogenen Preisen könnten damit effektiv gestoppt werden. Auch die Verschärfung des Mietwucherparagrafen gehöre jetzt zum Parteiprogramm. „Die CDU hat sich überraschend bewegt“, sagt Bartels und spricht von „einem kleinen Funken Hoffnung“.

Zurück zum Streitthema Enteignung, das seit dem Votum den Senat beschäftigt: Was immer genau in einem künftigen Vergesellschaftungsrahmengesetz festgehalten werden soll, es wirkt jetzt schon.

Berliner Enteignungs-Initiative: Neues Gesetz wäre „juristischer Quatsch und politische Verarsche“

Unter anderem bei den Vertretern der Enteignungs-Initiative. „Wir lassen uns von CDU und SPD nicht für dumm verkaufen“, wird Sprecherin Gisèle Beckouch in einer Mitteilung zitiert. „Ein Rahmengesetz für etwas, das schon im Grundgesetz steht: Das ist juristischer Quatsch und politische Verarsche.“ Die Regierung habe den konkreten Auftrag zur Vergesellschaftung der Bestände großer Immobilienkonzerne. Der Rahmen für diese Vergesellschaftung sei Artikel 15 des Grundgesetzes.

Ganz anders klingt es aus der parteipolitischen Opposition, in diesem Fall der künftig außerparlamentarischen.

Die Berliner FDP schäumt vor Wut über die CDU

So lässt Sebastian Czaja, noch Vorsitzender der FDP-Fraktion, die mit Konstituierung des Abgeordnetenhauses am 16. März ausscheidet, via Twitter kein gutes Haar an der CDU: „Ich lasse mich lieber drei Mal aus dem Abgeordnetenhaus wählen, als bei der erstbesten Gelegenheit meine grundlegenden Prinzipien über Bord zu werfen. Dass die CDU ausgerechnet als erstes bei Massenenteignungen einknickt, ist kaum zu fassen. Für was steht die Union eigentlich noch?“

Und Bundesjustizminister Marco Buschmann (ebenfalls FDP) wittert sogar Ärgeres, wie er via Twitter verbreitete: „Das erste, worauf sich CDU und SPD in Berlin laut Presseberichten geeinigt haben sollen, ist ein Vergesellschaftungsrahmengesetz. Enteignungen sollen also leichter werden. Wenn es stimmt, betrachte ich das im Hinblick auf den Schutz des Eigentums im Grundgesetz mit großer Sorge.“

Berliner SPD-Abgeordneter droht: „Die CDU wird noch sehr viel schlucken müssen“

Ganz anders dagegen ist der Ton bei Orkan Özdemir, Gewinner eines der ganz wenigen Direktmandate der Berliner SPD bei der Wiederholungswahl. „Die CDU wird noch sehr viel mehr schlucken müssen“, twittert der Friedenauer Politiker, der seine Partei am liebsten in der Opposition sähe, wo sie sich thematisch und personell erneuern könnte.

Özdemirs Äußerung darf man getrost auch als versteckte Warnung an die eigene Parteispitze verstehen. Nach dem Motto: Die SPD-Führung um Franziska Giffey muss in den Verhandlungen mit der CDU maximale Erfolge verzeichnen, damit sie im April vom Parteitag die Zustimmung für die schwarz-rote Koalition bekommt. Das ist alles andere als selbstverständlich.

Und der Stress für die SPD-Spitze wird eher noch zunehmen. So drohen etwa die Jusos via Twitter mit der „größten parteiinternen Kampagne“, die die Berliner Landespartei je gesehen habe.

Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark aus Hohenschönhausen reagierte umgehend. „Man hätte (könnte) sich auch einfach und konstruktiv um die Probleme & Herausforderung der Menschen in Berlin kümmern können…“, schreibt er in dem Kurznachrichtendienst. „Stattdessen Kampagne innerhalb der eigenen Partei. Die Abwahl der SPD durch die Wähler hat nichts bewirkt?“

Und auch zum Thema Neubau finden sich Passagen in dem SPD-Papier. So solle „das Neubauziel von durchschnittlich bis zu 20.000 neuen Wohnungen pro Jahr erhalten bleiben“. Das ist insofern interessant, dass beide mit der Formulierung „bis zu“ unter den Zielen aus den eigenen Wahlprogrammen bleiben. Die SPD wollte – 2021 beginnend – in zehn Jahren bis 2030 insgesamt 200.000 neue Wohnungen realisieren. Das ist quasi dasselbe wie die CDU mit ihren „mindestens 300.000 neuen Wohnungen bis 2035“.

Die Berliner Bauwirtschaft fordert mehr Unterstützung für Wohnungsbau

Ob das ausreicht, um den Hoffnungen der Bauwirtschaft zu entsprechen, wird sich zeigen. So fordert Klaus-Dieter Müller, Präsident der Fachgemeinschaft Bau, der künftige Senat müsse sich „klar zum Bauen bekennen“. Die Fokussierung auf den Wohnungsbau in den kommenden dreieinhalb Jahren habe „höchste Priorität, um den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, so Müller.

Da kann Müller sich glücklich schätzen, dass er über einen besonders kurzen Draht in die Führungsspitze einer der mutmaßlich kommenden Regierungsparteien verfügt. Die Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, Manja Schreiner, ist in Personalunion stellvertretende Landesvorsitzende der CDU.