AfD: André Poggenburg nach Nazi-Vorwürfen im Abseits

Magdeburg - Im Wegmoderieren von Nazi-Vorwürfen hat André Poggenburg einige Erfahrung. Mehrfach bereits sprang er im Bundesvorstand seiner Partei für den umstrittenen Rechtsaußen Björn Höcke in die Bresche. Am Montag aber machte er eine neue Erfahrung: Der Vorwurf rechtsextremer Äußerungen richtet sich gegen ihn selbst - und am Ende steht er ganz allein da.

„Deutschland den Deutschen“: Mit diesem alten NPD-Slogan möchte die AfD 13 Wochen vor der Bundestagswahl doch lieber nicht identifiziert werden. Poggenburg hatte den Satz Ende Mai in einem parteiinternen Chat geschrieben, es ging um die Planung der Wahlkampagne. Als der Chat öffentlich wurde, wiederholte Poggenburg den Satz demonstrativ. Auch von seiner Forderung nach einer „Erweiterung der Außengrenzen“ will er nicht abrücken. Gemeint habe er doch lediglich den Ausbau der bestehenden Grenzverläufe, beteuert er.

AfD-Vorstand sieht Nähe zum Rechtsradikalismus: Andrè Poggenburg erhält Abmahnung

Diese Argumentation verfängt allerdings am Montag nicht einmal mehr in seiner eigenen Partei. Am Vormittag berät sich der Bundesvorstand in einer Telefonkonferenz, auch Poggenburg als gewählter Beisitzer ist zugeschaltet. Alexander Gauland und Alice Weidel, die beiden Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl,  gehen in die Offensive und rügen den Sachsen-Anhalter. Am Ende steht ein einstimmiges Ergebnis: Poggenburg fängt eine Abmahnung ein. Durch Äußerungen wie diese rücke die Partei „in die Nähe des Rechtsradikalismus“, heißt es zur Begründung. Der Gescholtene selbst enthält sich.

In der Sache aber bleibt er bei seiner Sicht der Dinge. „Beide Äußerungen, die ich getan habe, widersprechen in keiner Weise dem AfD-Programm“, sagt er dieser Zeitung kurz nach der Telefonschalte. Nicht hinnehmen will er auch den Vorwurf, er hätte einschreiten müssen, als im Chat die Abschaffung der Pressefreiheit gefordert wurde. Er sei nur für seine eigenen Aussagen verantwortlich, alles andere wäre „Sippenhaft“, sagt Poggenburg. „Ich muss mir jetzt überlegen, wie ich mit der Abmahnung umgehe.“ Falls er auf einen Widerspruch verzichte, „dann nur aus Respekt vor Alexander Gauland“.

Der Spitzenkandidat war bislang ein Verbündeter des rechten Parteiflügels, vertreten vor allem durch Björn Höcke und André Poggenburg. Am Wochenende allerdings geriet Gauland unter Zugzwang: Parteichefin Frauke Petry drängte ihn und seine Mitstreiterin Alice Weidel zu einer Reaktion. Die beiden müssten die Partei während des Wahlkampfs führen, sagte Petry der „Welt am Sonntag“. „Dazu gehört auch, abseitigen Positionen wie der neuerlichen von André Poggenburg deutliche Grenzen zu setzen.“ Petrys Ehemann  Marcus Pretzell formulierte es noch deutlicher. Zu Poggenburgs Satz „Deutschland den Deutschen“ twitterte er: „Dummheit alleine kann es nicht sein.“

Parteiinterne Kritiker fürchten nach Wirbel um NPD-Slogan um die Zulassung zur Bundestagswahl

Der Druck zeigt Wirkung. Die AfD verstehe sich als eine „Partei des politischen Realismus“, die Probleme lösen wolle, betont Weidel nach dem Vorstandsbeschluss. „Stumpfe Sprüche helfen dabei nicht und schaden der Partei. Wer das nicht versteht, hat in der AfD nichts zu suchen.“

Poggenburg geht daraufhin seine Kritiker an - jedenfalls die in der zweiten Reihe.  Petrys Mann Pretzell habe mit seinem Tweet gegen die Abmachung verstoßen, dass Funktionsträger nicht gegen Kollegen aus anderen Ländern agierten, sagt er. „Das müsste jetzt Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen.“ Im Blick hat er auch Uwe Wurlitzer, den Generalsekretär der AfD Sachsen.  Der hatte gesagt, Poggenburg sei „in der NPD besser aufgehoben“.

Heftiger Wind bläst Poggenburg indes auch aus dem eigenen Landesverband entgegen. Der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld hat den Bundesvorstand aufgefordert, „unverzüglich“ zu einer Neuwahl der Kandidatenliste für die Bundestagswahl einzuladen. Die im März in Badeborn (Harz) bestimmte Liste ist beim Landesschiedsgericht angefochten, das Gremium hat darüber bis jetzt nicht befunden. Sogar das Bundesschiedsgericht ist mittlerweile involviert.

Zu den Vorwürfen gehört, nicht stimmberechtigte Mitglieder hätten abgestimmt. Außerdem soll der Vorstand hingenommen haben, dass gegen missliebige Bewerber Stimmung gemacht wurde. Die Anfechtungen seien „keineswegs substanzlos“, warnt die AfD Anhalt-Bitterfeld. Es drohe die Gefahr, dass die Landesliste nicht zur Bundestagswahl zugelassen werde. „Das mediale Echo wäre für die Alternative für Deutschland verheerend.“

Kreisvorsitzender in Anhalt-Bitterfeld ist Daniel Roi, der wichtigste Gegenspieler des Landesvorsitzenden. Poggenburg sieht daher hinter der Forderung nach einer Kandidaten-Neuwahl das Machtstreben von Roi. „Da versucht die Kreisspitze Stimmung zu machen, weil ihr die gewählten Kandidaten nicht passen“, sagt Poggenburg.  Er kündigte an, die Landesliste noch in dieser Woche bei der Landeswahlleiterin einzureichen. Alle Anfechtungen seien vollkommen unbegründet.

Poggenburg wurde von der AfD Sachsen-Anhalt zum „Spitzenwahlkämpfer“ ausgerufen, er kandidiert jedoch selbst nicht. (mz)