AfD-Vize: Für Gauland ist die Nationalelf „schon lange nicht mehr deutsch“
Hamburg - Für AfD-Vize Alexander Gauland ist die deutsche Fußballnationalmannschaft „schon lange nicht mehr deutsch“ im „klassischen Sinne“. Profifußball sei „keine Frage der nationalen Identität mehr“, sondern „letztlich eine Geldfrage“, sagte Gauland dem „Spiegel“ laut Vorabbericht vom Freitag. „Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr deutsch oder englisch im klassischen Sinne.“
Gauland hatte erst vor wenigen Tagen mit Äußerungen über Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng Aufsehen erregt. Er wurde von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ mit den Worten zitiert, die Leute fänden den dunkelhäutigen Innenverteidiger „als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“.
„Diese multikulturelle Welt ist den meisten noch immer fremd“
Nachdem dies einen Sturm der Entrüstung auslöste, bestritt Gauland die Aussagen zunächst und sagte der ARD: „Ich kenne mich im Fußball überhaupt nicht aus.“ Dem „Spiegel“ sagte Gauland nun, die vielen Spieler mit Migrationshintergrund seien kein Beweis dafür, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. „Ich glaube nicht, dass die Nationalmannschaft dafür das passende Symbol ist.“ Auch das Lebensgefühl der meisten Deutschen ist nach Ansicht Gaulands nicht „so multikulti“. Es gebe „noch immer eine starke Verbundenheit zu Land und Leuten und Geschichte und Tradition. Sie fiebern zwar mit dem Fußball mit, aber diese multikulturelle Welt ist den meisten noch immer fremd“, sagte er.
Im Aufgebot der Fußballnationalelf für die Europameisterschaft in Frankreich steht eine Reihe von Spielern mit ausländischen Wurzeln. Boatengs Vater kommt beispielsweise aus Ghana, der Vater von Mittelfeldspieler Sami Khedira aus Tunesien, Stürmer Mario Gomez hat einen spanischen Vater. Die Wurzeln von Verteidiger Shkodran Mustafi sind albanisch, Stürmer Lukas Podolski wurde in Polen geboren, Supertalent Leroy Sané hat einen Vater aus dem Senegal und die Mutter von Abwehrspieler Antonio Rüdiger kommt aus Sierra Leone. Mit Emre Can und Mesut Özil stehen zudem zwei türkischstämmige Spieler im Kader.
Die Pilgerreise Özils nach Mekka nannte Gauland im „Spiegel“ „sehr gewöhnungsbedürftig für eine Partei, die den Islam nicht als Teil Deutschlands betrachtet“. Bei Fußballspielern akzeptiere er dies, bei Beamten, Lehrern, Politikern und Entscheidungsträgern würde er aber „sehr wohl die Frage stellen: Ist jemand, der nach Mekka geht, in einer deutschen Demokratie richtig aufgehoben?“
In der Bevölkerung wird die Einschätzung Gaulands zu Boateng offenbar nicht geteilt: Die allermeisten Deutschen hätten den Fußball-Nationalspieler einer Umfrage zufolge gerne zum Nachbarn. In einer am Freitag vom „Focus“ vorab veröffentlichten Emnid-Umfrage sprachen sich 82 Prozent der Befragten dafür aus. Auch bei den AfD-Wählern lag die Zustimmung bei 87 Prozent. Boateng selbst bekannte sich in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung als Fan von als typisch deutsch geltenden Tugenden: „Fleiß und Disziplin, das ist einfach unsere Kultur“, schrieb er. Dazu gehöre aber auch „Lockerheit und Weltoffenheit“, wie es die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland gezeigt habe. (afp)