Afghanistan: Regierung plant trotz Warnungen erneut Abschiebeflug nach Kabul

Berlin - Die Bundesregierung hält an ihrem harten Kurs bei Abschiebungen nach Afghanistan fest. An diesem Dienstagabend soll ein Flug mit abgelehnten Asylbewerbern vom Flughafen Leipzig/Halle nach Kabul starten – und das offenbar trotz eindringlicher Sicherheitsbedenken des Bundesverkehrsministeriums. Dieses warnt europäische Airlines offenbar seit Tagen davor, den Flughafen der afghanischen Hauptstadt anzufliegen.

Beschuss mit Raketen möglich

Der „Spiegel“ zitierte am Montag aus einer Rundmail, die das Ministerium über die Europäische Flugsicherung verschickt haben soll. Am Kabuler Flughafen drohten „jederzeit gezielte Flugabwehr-Attacken und Beschuss durch kleine Raketen“, zitierte das Magazin. Zudem müsse man immer mit Angriffen auf das Aerodrom, also den zivilen Flughafen, rechnen.

Die Warnung soll nach einem Raketenanschlag auf den Flughafen ausgesprochen worden sein, bei dem während des Besuchs von US-Verteidigungsminister James Mattis Ende September mehrere Menschen starben.

Pro Asyl fordert Abschiebestopp

Pro Asyl und der bayerische Flüchtlingsrat hatten den geplanten Flug in den vergangenen Tagen öffentlich gemacht und gefordert die Abschiebungen vorerst auszusetzen. „Bund und Länder müssen die traurige Realität im Kriegs- und Krisengebiet zur Kenntnis nehmen und den für Dienstag geplanten Abschiebeflug absagen“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.

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Dass ausgerechnet am Tag der Konstituierung des Bundestages in das Krisengebiet abgeschoben werden solle, sei eine verantwortungslose Verneigung vor Rechtspopulisten, so Burkhardt weiter. Der Abschiebeflug sei auch für die Crew und die begleitenden Bundespolizeibeamten gefährlich.

Zahl der Abgeschobenen offen

Wie viele abgelehnte Asylbewerber in dem Flugzeug sitzen sollen, blieb unklar. Das Bundesinnenministerium wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem geplanten Flug äußern.

Nach sechsmonatiger Pause waren im September wieder mehrere abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben worden. Pro Asyl und der bayerische Flüchtlingsrat setzen sich für ein Moratorium aller Abschiebungen in das Krisenland ein. „Selbst, wenn es dort sichere Orte geben sollte, sind diese nicht zu erreichen“, sagte Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat dieser Zeitung. Die Straßen um Kabul herum seien mit Minen und Bomben übersät.

Überdies konkurrierten die abgelehnten Asylbewerber mit zehntausenden internen Flüchtlingen in Afghanistan um Versorgungsgüter. Viele Abgeschobene machten sich daher gleich wieder auf den Rückweg in Richtung Europa, auch weil sie keine Familienbindung mehr in Afghanistan hätten, so Dünnwald.

Die Bundesregierung setzt unterdessen in der Flüchtlingspolitik weiter auf Abschreckung. Am Montag ging die Internetseite „Rumours about Germany“ („Gerüchte über Deutschland“) an den Start, auf der Gerüchte etwa über Jobaussichten und Sozialleistungen widerlegt werden sollen. Im Zentrum stehen „sieben große Lügen von Schleusern“. Auf Englisch, Französisch und Arabisch wird beispielsweise klargestellt, dass Asylbewerber weder 2000 Euro Begrüßungsgeld noch eine garantierte Wohnung erhalten.

Schwere Anschläge in Kabul

In den vergangenen Tagen hatten islamistische Attentäter Afghanistan mit einer Serie schwerer Anschläge auf Moscheen und Militäreinrichtungen überzogen. Dabei wurden seit vergangenen Dienstag mehr als 200 Menschen getötet. Dennoch hält sich das Bundesinnenministerium an eine Empfehlung des Auswärtigen Amts, das Teile des Landes als sicher einschätzt.