Aktivistin Birgit Lohmeyer im Nazi-Dorf in Meck-Pomm : „In Jamel haben die Nazis ihr Ziel erreicht“

Jamel - Birgit und Horst Lohmeyer wohnen seit über zehn Jahren in dem Dorf Jamel bei Wismar, sind dort von Neonazis umzingelt und halten trotzdem Stand. Dafür erhielten die Schriftstellerin und der Musiker mehrere Preise, unter anderem den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Sommer wurde die Scheune der Lohmeyers durch einen Brandanschlag zerstört. Und heute kommt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), zu Besuch. Wir sprachen darüber mit Birgit Lohmeyer.

Frau Lohmeyer, am 13. August wurde auf die Scheune Ihres Grundstücks ein Brandanschlag verübt, mutmaßlich von Rechtsextremisten. Außerdem hatten Sie die Idee, als Reaktion darauf ein Kulturzentrum in Jamel zu errichten. Was ist seither passiert?

Im Moment ruht still der See. Es gab mehrere Spendensammlungen. Da ist viel Geld zusammen gekommen – aber nicht so viel, dass man davon ein Gebäude errichten könnte, wie es hier gestanden hat. Vor allem fehlt uns eine Institution, die sagt: „Wir könnten uns vorstellen, das zu betreiben.“ Deshalb werben wir weiterhin für die Idee eines Zentrums für Kultur oder politische Bildung in Jamel. Wir würden das Ganze dann für einen symbolischen Preis verpachten.

Gibt es konkrete Interessenten?

Wir haben noch keine Zusagen von irgendeiner Seite. Es gibt nichts Spruchreifes – außer interessiertem Zuhören und Nicken nach dem Motto: „Ja, das wäre gut.“ Wir wollen jedenfalls erst Partner für die Idee einer Kulturscheune in Jamel suchen und dann mittels Crowfunding weitere Sponsoren.

Und was ist mit der Suche nach den Tätern?

Es scheint keine Spur zu geben. Und je länger so ein Delikt zurück liegt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass überhaupt Täter ermittelt werden können. Im Dorf ist es ansonsten relativ ruhig. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Im Dorf ist es immer relativ ruhig. Das ist ja der Wohnsitz dieser gewaltbereiten Nazis. Und da verüben sie natürlich keine Verbrechen. Insofern ist die Lage unverändert.

Es war zu lesen, ein Ermittler der Polizei habe auch unter Ihren Freunden und Bekannten ermittelt. Wie ist es denn dazu gekommen?

Das waren Ermittlungsfehler. Der zuständige Beamte ist auch sofort aus der Ermittlungs-Kommission abgezogen worden. Wir hatten zuvor auf Bitten der Kriminalpolizisten eine Liste mit Kontakten erstellt. Denn wir hatten ja nicht nur die Brandstiftung, sondern auch einen Erpresserbrief sowie eine briefliche Morddrohung. Daraufhin wurden wir gebeten, sämtliche Kontakte auch aus unserer Hamburger Zeit zu benennen. Es ging da nicht um Verdächtigungen. Dennoch hat danach ein Polizist etwas überschäumend Leute angerufen und nach Alibis gefragt. Das hätten wir uns natürlich nicht träumen lassen, dass die Polizisten so plump vorgehen. Der Beamte wurde dann abgezogen. Aber davon haben wir nur aus der Presse erfahren.

Die Ermittlungen laufen also weiter?

Ja.

Nun kommt am Dienstagnachmittag die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), zu Ihnen. Was erhoffen Sie sich davon?

Der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Junge kommt auch mit. Und wir sind immer froh darüber, wenn die Politik Feldforschung betreibt. Überhaupt kann es nur nützlich sein für das grundsätzliche Verständnis des Rechtsterrors in Deutschland, wenn sich Menschen der Bundespolitik mal auf unsere Ebene herunter bewegen und sich erzählen lassen, wie es hier zugeht – und zwar nicht nur in Jamel, sondern im ganzen Land, das ja diesen Taten doch relativ hilflos gegenübersteht. Überall in Deutschland gibt es so kleine Jamels. Und gerade das Phänomen der Besiedlungspolitik ist ja etwas, was man bei uns leibhaftig studieren kann. Hier haben die Nazis ihr Ziel erreicht.

Sie bleiben trotzdem dort?

Ja, und wir können nur immer wieder sagen: Jetzt erst recht! Es ist nicht schön. Es ist nicht angenehm. Aber es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die wir hier übernommen haben. Wir werden weiter dagegen halten.