Albert Hofmann: Vor 75 Jahren erlebte der Chemiker den ersten LSD-Trip

Es war nur ein 250 Millionstel Gramm, das Gewicht eines Staubpartikels. Doch die weiß-kristalline Substanz zündete im Gehirn eine „Atombombe des Geistes“. So beschrieb der Schweizer Chemiker Albert Hofmann seine Erfahrungen mit Lysergsäurediethylamid (LSD).

Am 16. April 1943 begann der Leiter des Naturstofflabors der Sandoz AG in Basel damit, das Pharmazeutikum erneut zu prüfen. Denn er vermutete, bei den ersten Versuchen fünf Monate zuvor etwas übersehen zu haben. Damals hatte er auf der Suche nach einem Kreislaufmittel mit Abkömmlingen des Mutterkornpilzes experimentiert und erstmals LSD hergestellt. Da die erhoffte Wirkung als Kreislaufstimulans in Tests mit Tieren aber nicht eintrat, verlor Hofmann zunächst das Interesse.

Angstgefühl und Lachreiz

Bei einem Selbstversuch am 19. April 1943 aber registrierte der Wissenschaftler dann die halluzinogene Wirkung von LSD, die er zunächst nicht erklären konnte. „Angstgefühl, Sehstörungen, Lähmungen und Lachreiz wurden abgelöst von unerhörten Farben- und Formenspielen und sich kaleidoskopartig verändernde, bunte Fantasiegestalten und umherfliegende Möbel“, hielt er in seinen Aufzeichnungen fest, „Geräusche hatten sich ständig in optische Empfindungen mit wechselnden farbigen Bildern verwandelt.“

Und später resümierte er: „Das LSD hat mich gerufen, ich habe es nicht gesucht. Es ist zu mir gekommen, es hat sich gemeldet. Schon auf dem Heimweg mit dem Fahrrad nahm mein Zustand bedrohliche Formen an. Alles in meinem Gesichtsfeld schwankte und war verzerrt wie in einem gekrümmten Spiegel…“. Vom Labor fuhr er „in wilden Schlangenlinien“ nach Hause, seither wird der 19. April von Anhängern der psychedelischen Bewegung als „bicycle day“ („Fahrradtag“) gefeiert. Nach etwa zwei Stunden auf dem Sofa verflüchtigte sich Hofmanns Rausch.

Bereits wenige Jahre zuvor hatte der Berliner Arzt Louis Lewin durch Pharmaka ausgelöste Bewusstseinsveränderungen erforscht, als er sich mit der Wirkung halluzinogener Pflanzen beschäftigte. Die Grundlagen seiner Arbeiten basierten auf Erkenntnissen des Heidelberger Professors Kurt Beringer, der Ende der 1920er-Jahre „Meskalin“ untersucht hatte. Die Indio-Schamanen verehrten das pflanzliche Alkaloid des Peyote-Kaktus schon seit Jahrtausenden als heilig.

In den 50er-Jahren begann Sandoz unter dem Namen „Delysid“ probeweise LSD zu vertreiben, Ärzte und Wissenschaftler suchten neue Behandlungsansätze in der Psychiatrie und Psychotherapie, unter anderem gegen die Alkoholabhängigkeit. Timothy Leary, Psychologie-Dozent der renommierten amerikanischen Harvard University, avancierte Anfang der 60er-Jahre zum Missionar des LSD-Gebrauchs. Er glaubte, das Mittel könne die Persönlichkeit von Menschen durch Bewusstseinserweiterung verbessern und folglich auch die Gesellschaft positiv verändern. Seine griffige Lösung für das psychedelische Zeitalter lautete: „Turn on, tune in, drop out“, sinngemäß sollte das bedeuten: „Gehe in dich, werde eins mit der Umwelt, löse dich von deinen Verpflichtungen.“

In der aufkommenden Hippie-Bewegung fand Leary viele Anhänger. Stars der Musikszene wie Jim Morrison von den Doors, Jimi Hendrix, Janis Joplin, die Beatles und die Rolling Stones outeten sich als Konsumenten. Aber auch Künstler wie Robert Crumb und Andy Warhol, die Schriftsteller Aldous Huxley und Allen Ginsberg sowie Schauspieler Peter Fonda und Cary Grant experimentierten mit LSD. Ken Kesey verarbeitete seine Erfahrungen aus der Psychiatrie in dem Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“ und gründete die Kommune „Merry Pranksters“.
Militärische Verwendung

Von der Wunderdroge zum verbotenen Betäubungsmittel

Sie tourte mit einem bemalten, alten Schulbus, genannt „Further“, durch die USA und veranstaltete sogenannte Acid-Tests. Zur Musik der Hausband Grateful Dead fanden „Happenings“ statt und an alle Zuschauer und -hörer wurden kostenlos Unmengen von LSD verteilt. In Musikstücken und Filmen hielten Erfahrungen mit den „Trips“ Einzug und sie gelangten in das öffentliche Bewusstsein. 1966 verbot die US-Regierung die Herstellung, den Handel sowie den Besitz und Konsum von LSD. Die Produktion verlagerte sich in Untergrundlabors.

Den Weg von der Wunderdroge zum verbotenen Betäubungsmittel hat Hofmann in seinem Buch „LSD – Mein Sorgenkind“ detailliert beschrieben. „Die Tore der Wahrnehmung werden geöffnet und wir sehen und hören plötzlich mehr, alles wird intensiviert, es ist ein völlig anderes Programm.“ Auch habe Leary mit der Behauptung recht gehabt, LSD sei das größte Aphrodisiakum. Doch wie kaum ein anderer warnte Hofmann vor dem unsachgemäßen Gebrauch und machte Leary schwere Vorwürfe, er habe LSD „angepriesen wie ein Wanderprediger“, ohne die Anwender hinreichend über die Folgen aufzuklären.

Dennoch behaupteten diverse bedeutende Entdecker und Erfinder rückblickend, sich durch die Droge kreativer gefühlt zu haben. Francis Crick (DNA), Doug Engelbart (Computermaus) und Steve Jobs (Apple-Computer) meinten, erst ihr erweitertes Bewusstsein habe sie auf ihre bahnbrechenden Ideen gebracht. Auch die Beatles-Songs „Lucy in the Sky with Diamonds“ und „Day Tripper“ sollen unter Einfluss von LSD entstanden sein. Der Schriftsteller Ernst Jünger, der mit Hofmann jahrzehntelang in engem Briefkontakt stand, stellte fest: „Mit Drogen schreibt sich’s besser.“

Lange vor der Flower-Power-Generation hatte der US-Geheimdienst CIA mit LSD experimentiert. Seit 1955 wurde in den Laboren von Edgewood Arsenal nordöstlich von Baltimore der mögliche Einsatz des Medikaments zur Gedankenkontrolle und als Wahrheitsserum an rund 7000 Armeemitgliedern getestet. Das Projekt unter den Namen „MKULTRA“ fand ohne Wissen der Soldaten statt; um die Versuchspersonen zu beobachten, richtete die CIA sogar ein Bordell ein. Nach Aufdeckung der Programme kam es Mitte der 70er-Jahre zu mehreren parlamentarischen Untersuchungen und Gerichtsverfahren, noch heute klagen die Männer über gesundheitliche Spätfolgen.

Als größtes Geschenk zu seinem 100. Geburtstag 2006 betrachtete Hofmann die Wiederzulassung von LSD für die medizinische Forschung. Er starb zwei Jahre später. In der Schweiz und in den USA wird zurzeit wieder an LSD wissenschaftlich geforscht. Bei unheilbar Erkrankten im letzten Stadium, wo selbst Morphine nicht mehr helfen, könnte die Bewusstseinserweiterung die Angst vor Schmerz und Tod lindern. Versuche als Therapiehilfe bei der Bewältigung von Trunksucht sind dort vor einigen Jahren ebenfalls angelaufen.