Berlin - Vier bemalte Segmente der Berliner Mauer, ein alter Wachturm und das letzte Kontrollhäuschen vom Checkpoint Charlie – auf der Freifläche des Alliiertenmuseums an der Zehlendorfer Clayallee erinnern mehrere Ausstellungsstücke an die Teilung Berlins.
Jürgen Lillteicher, 51, Direktor des Alliiertenmuseums, steht vor den Mauerteilen. „Junge Besucher wissen immer weniger über die Teilung“, sagt er. Umso wichtiger sei es, die Erinnerung daran wachzuhalten. Das macht das Alliiertenmuseum, das sich im ehemaligen US-amerikanischen Kino Outpost befindet.
Das Kino ist selbst Teil der Nachkriegsgeschichte. Es entstand 1952/53 im Zuge des Neubaus der Wohnsiedlung für US-Soldaten und ihre Familien am Hüttenweg – und war Teil eines Stadtviertels, zu dem eine Kirche und ein Einkaufszentrum gehörten. Der Name Outpost – auf Deutsch: Vorposten – entsprach dabei ganz dem damaligen Verständnis der Amerikaner von Berlin als Vorposten der Freiheit.
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Alliiertenmuseum trumpft mit Rosinenbomber auf
Die Idee für das Alliiertenmuseum entstand nach der Wiedervereinigung im Deutschen Historischen Museum. 1994, im Jahr, als die West-Alliierten aus Berlin abzogen, wurde im Outpost zunächst die Ausstellung „Mehr als ein Koffer bleibt.
Die Westmächte und Berlin 1944–1994“ eröffnet. 1998, zum 50. Jahrestag der Luftbrücke, wurde das Museum schließlich feierlich eingeweiht. „Es geht um die Würdigung der Verdienste der West-Alliierten für Berlin und Deutschland als Ganzes“, beschreibt Jürgen Lillteicher die Aufgabe seines Hauses.
Hintergrund: Die West-Alliierten waren bis zur Wiedervereinigung so etwas wie die Lebensversicherung der West-Berliner. Aufgrund des Viermächtestatus Gesamt-Berlins, nach dem die Stadt in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden war, garantierten Amerikaner, Briten und Franzosen durch ihre Anwesenheit den freien Zugang in ihre Besatzungszonen – und damit die Sicherheit der West-Berliner.
Der Ostteil avancierte unterdessen unter sowjetischer Besatzung zur Hauptstadt der DDR. An die Leistungen der Sowjets, vierter Alliierter im Kampf gegen Nazi-Deutschland, später Kontrahent der Westmächte im Kalten Krieg, wird im Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst erinnert.
Auffälligstes Ausstellungsstück des Alliiertenmuseums ist ein Rosinenbomber, eine britische Hastings TG 503. Sie gehörte zu den Fliegern, die die Menschen im Westteil der Stadt während der sowjetischen Blockade 1948/49 über die Luftbrücke mit Lebensmitteln und Brennstoff versorgten. Der Rosinenbomber steht unweit der Mauerteile auf dem Freigelände. Über eine Außentreppe gelangen die Besucher zu einer großen geöffneten Ladeluke. Innen drin stehen Sitzbänke aus Holz. Ölgeruch liegt in der Luft.
Jürgen Lillteicher erlebt den 9. November 1989 als Student in Freiburg
„Hier riecht man noch die Geschichte“, sagt Lillteicher. Auf dem Boden des Flugzeugs liegt ein Sack, gefüllt mit Kohlen. Er dient dazu, die Leistung während der Luftbrücke zu begreifen. „Wir sagen den Kindern, dass sie den Sack mal in die Hand nehmen sollen, um zu sehen wie schwer er ist“, sagt Lillteicher.
Kohlen gehörten als Brennstoff zu den wichtigsten Gütern, die bei der Luftbrücke nach West-Berlin transportiert wurden. Leider steht der Rosinenbomber ungeschützt auf dem Freigelände. Die Witterung setzt dem Ausstellungsstück zu. „Es zerfällt“, sagt Lillteicher.
Die Versorgung des Westteils Berlins aus der Luft ließ aus den westlichen Besatzungsmächten Schutzmächte werden. Der Mauerbau vom 13. August 1961 erschütterte jedoch für einen Moment das Vertrauen der West-Berliner zu ihren Schutzmächten. „Der Westen tut nichts!“ titelte eine große deutsche Zeitung, die in der Ausstellung des Alliiertenmuseums zu sehen ist, und drückte damit das Unverständnis vieler Menschen über die Untätigkeit der Westmächte aus.
„Die Westmächte wollten keinen Krieg riskieren“, erklärt Jürgen Lillteicher die Beweggründe. Amerikaner, Briten und Franzosen nahmen den Mauerbau deswegen hin. Wichtig war ihnen, dass ihre Rechte, also ihre Anwesenheit in Berlin, nicht infrage gestellt wurde. So blieb es bis zum Mauerfall 1989. Den Weg zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 machten dann wieder alle vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs frei, die die Rechte für Deutschland als Ganzes inne hatten.
Jürgen Lillteicher erlebt den 9. November 1989 als junger Student in Freiburg im Breisgau. „Als ich vom Mauerfall erfuhr, wollte ich unbedingt nach Berlin“, berichtet er. Silvester 1989 feiert er am Brandenburger Tor. „Wir haben zusammen mit Ost-Berlinern Sekt getrunken und kamen aus dem Freudentaumel nicht mehr heraus“, erinnert er sich. „Es war für mich schier unvorstellbar, dass die Grenze einmal fallen würde“, sagt er.
Lillteicher sieht die Verdienste der westlichen Alliierten nicht nur darin, dass sie in der Nachkriegszeit das freie Leben der West-Berliner schützten. „Durch meine Beschäftigung mit der Wiedergutmachungsgeschichte in der Bundesrepublik, insbesondere mit den Auseinandersetzungen um die Rückerstattung jüdischen Eigentums, weiß ich, welchen Beitrag die Alliierten zur Demokratisierung Deutschland geleistet haben“, sagt er.
Alliiertenmuseums zieht zum Flughafen Tempelhof und vergrößert sich
„Ohne den Druck der Alliierten hätte es keine Rückgabe von jüdischem Eigentum nach 1945 gegeben.“ Ein wesentlicher Baustein zur Aussöhnung zwischen Juden und Nicht-Juden in der Bundesrepublik hätte damit gefehlt.
So gut der Standort des Alliiertenmuseums im Kino Outpost für die Anfangsjahre gewählt war, für die Zukunft schwebt Lillteicher etwas anderes vor. „Wir wollen zum Flughafen Tempelhof umziehen“, sagt er. Der Hangar 7 wird dort seit Jahren für das Museum frei gehalten.
Zum einen könnten dort Ausstellungsstücke wie der Rosinenbomber vom Wetter geschützt untergebracht werden, zum anderen hätte das Museum endlich genug Platz, um all jene Großobjekte zu präsentieren, für die am aktuellen Standort die Fläche nicht ausreicht.
Dazu gehört ein alter Spionagetunnel, ein Hubschrauber und ein Paradewagen. Das Problem: Die 27 Millionen Euro, die der Bund vor Jahren für die Herrichtung des Hangar 7, eine neue Ausstellung und den Umzug bewilligt hat, reichen bei weitem nicht. Wie teuer es wird, werde gerade geprüft, sagt Lillteicher.
Das letzte Wort hat der Haushaltsausschuss des Bundestags. Er muss die Mittel bewilligen. Lillteicher hat noch ein nicht unwichtiges Argument für den Umzug: „In Tempelhof könnten wir die Zahl der Besucher von 70 000 auf bis zu 350 000 pro Jahr erhöhen“, sagt er.