Amtsantritt des Bundespräsidenten: Frank-Walter Steinmeiers Motto ist der Mut für die Zukunft
Berlin - Als erstes jubelt die Linkspartei: Der von ihr aufgestellte Sozialforscher Christoph Butterwegge bekommt über 30 Stimmen mehr als gedacht. Auch der Fernsehrichter Alexander Holdt erhält nicht nur die zehn Freien-Wähler-Stimmen, sondern insgesamt 25. Und der AfD-Kandidat Albrecht Glaser sammelt 42 Stimmen ein, sieben zusätzlich zu den Wahlleuten seiner Partei.
Ein Schönheitsfehler für Steinmeiers Amtsantritt
Reicht aber alles nicht: Die Bundesversammlung wählt am Sonntag den bisherigen Außenminister und früheren SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zum nächsten, dem zwölften Bundespräsidenten. 931 Stimmen bekommt er, eine Dreiviertelmehrheit. Aber immerhin 175 aus dem Unterstützerblock von SPD, CDU, CSU, Grünen und FDP entscheiden sich gegen ihn.
Es ist ein Schönheitsfehler für Steinmeiers Amtsantritt, mit 15 Prozent ein etwas größerer auch als erwartet bei einer geheimen Abstimmung und bei einem Kandidaten mit seinen Beliebtheitswerten. Aber vor allem in den Unionsparteien gibt es alle möglichen Unzufriedenen: Die, die es als Zumutung sehen, als stärkste Partei nicht für einen eigenen Kandidaten stimmen zu können. „Wir sind betrübt“, hieß es vorher in der CDU.
Es gibt auch die, die ihrer Parteichefin Angela Merkel gerne eins auswischen wollen – und bei einer geheimen Wahl geht das ganz prima, quasi unter dem Tisch. Und bei der SPD gibt es durchaus die, die die von Steinmeier mitverantwortete Agenda 2010 immer noch nicht gut finden: Butterwegge ist sozusagen der Anti-Agenda-Kandidat.
Aber dann ist Steinmeier gewählt, Bundestagspräsident Norbert Lammert verkündet das Ergebnis. Und dann stehen doch alle und klatschen, die SPD jubelt und Blumensträuße werden überreicht.
Steinmeier setzt auf den Mut
Gut drei Stunden hätte es gedauert, wenn alle gut 1200 Wahlleute Steinmeier umgehend gratuliert je etwa zehn Sekunden lang hätten, hat Lammert ausgerechnet. Deswegen spricht der künftige Präsident, der erst der dritte Sozialdemokrat im höchsten Staatsamt ist, dann doch erst ein paar Sätze.
Und vor allem setzt er das Motto seiner Präsidentschaft, die am 18. März beginnt: Freiheit war das das Leitmotiv für den scheidenden Präsidenten Joachim Gauck. Steinmeier entscheidet sich für: Mut. „Lasst uns mutig sein, dann ist mir um die Zukunft nicht bange“, ruft er den Zuhörern zu. Und als Inspiration dafür nennt er eine junge tunesische Aktivistin, die ihm bei einer Reise begegnet ist. „Ihr macht mir Mut“, habe die ihm gesagt und damit die Deutschen gemeint, mit ihrer Geschichte, in der aus Krieg Frieden geworden sei und „die Raserei der Ideologien“ durch Vernunft ersetzt worden sei.
„Wenn dieses Fundament anderswo wackelt, müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen“, sagt Steinmeier. Deutschland sei „ein Anker der Hoffnung”. Er nennt die USA mit ihren neuen Präsidenten Donald Trump nicht, aber der Bezug ist klar. Er sagt, wie nach der Wiedervereinigung müsse man den „Lockrufen der Fremdenfeindlichkeit“ widerstehen. Die Wahlleute der AfD aus verschiedenen Landtagen sitzen am rechten Rand des Saals. Sie klatschen nicht.