Andreas Nahles Pläne zur Ost-Rente werden konkret - Angleichung an den Westen
Schwerin - Plötzlich soll alles ganz schnell gehen. Seit einem Vierteljahrhundert gilt für die Rentenversicherung im Westen und im Osten unterschiedliches Recht. Damit will Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) nun Schluss machen. „Wir werden das gleiche System haben. Das ist ein wichtiger Schritt für die innere Einheit des Landes“, sagte die Politikerin am Donnerstag. Schon Ende August soll ihr Gesetzesentwurf ins Kabinett, noch vor der Bundestagswahl könnte er in Kraft treten.
Dass Nahles ihre Pläne in der Schweriner Staatskanzlei präsentierte, ist kein Zufall: Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hatte seit langem Druck für die Angleichung der Ost-Renten gemacht. Und im September sind in Mecklenburg-Vorpommern Landtagswahlen. Auch CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat mehrfach versprochen, die Ost-West-Unterschiede bis 2020 abzuschaffen. Ob sie Pläne aber tatsächlich umgesetzt werden, ist noch offen. Und auch ein Wahlkampfhit im Osten ist nicht automatisch garantiert.
Was plant Nahles?
Das bislang unterschiedliche Rentenrecht in den alten und den neuen Bundesländern soll bis zum Jahr 2020 komplett angeglichen werden. Dazu sieht ihr Gesetzesentwurf zwei Schritte vor: Zum 1. Januar 2018 würde die Hälfte der bisherigen Differenz ausgeglichen. Am 1. Januar 2020 soll die Lücke dann ganz geschlossen werden.
Welche Unterschiede zwischen West und Ost gibt es derzeit?
Politisch am brisantesten ist der sogenannte Rentenwert. Er ist im Osten zwar zuletzt stark gestiegen, liegt mit 28,66 Euro aber immer noch niedriger als im Westen (30,45 Euro). Freilich werden zum Ausgleich des niedrigeren Lohnniveaus die Ost-Löhne bei der Errechnung der Rentenansprüche bislang um knapp 15 Prozent aufgewertet. Außerdem müssen Beiträge im Osten auf Einkünfte bis 5400 Euro im Monat, im Westen aber bis 6200 Euro gezahlt werden.
Werden die Ostdeutschen bislang diskriminiert?
Entgegen einer weit verbreiteten Annahme: Nein! Wegen der Höherwertung ihrer Gehälter erzielen sie bei gleichem Entgelt trotz des niedrigeren Rentenwerts sogar einen um acht Prozent höheren Rentenanspruch.
Wie kommt man auf diese Behauptung?
Das ergibt sich aus der Rentenformel. Ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer in Düsseldorf und einer in Dresden verdienen 2016 beide jeweils 36.267 Euro brutto. Der Rheinländer erhält dafür einen Entgeltpunkt. Das Gehalt des Ostdeutschen wird um knapp 15 Prozent höhergewertet. Er bekommt 1,1479 Entgeltpunkte. Multipliziert man das nun mit den Rentenwerten, ergibt sich für den Düsseldorfer eine Rentenanwartschaft von 30,45 Euro. Der Dresdner bekommt 32,90 Euro gutgeschrieben.
Und was genau soll nun geändert werden?
Im Zuge der Reform will Nahles in zwei Schritten die Lücke beim Rentenwert schließen. Die Ost-Ruheständler können sich 2018 und 2020 also auf kräftige Zuschläge freuen. Gleichzeitig wird aber die Höherwertung abgeschafft. „Wir können nicht die Nachteile abschaffen, aber alle Vorteile behalten“, sagt Nahles. Dadurch erhalten junge Arbeitnehmer im Osten künftig für das gleiche Gehalt deutlich niedrigere Rentenansprüche als ihre Eltern. Eine Gruppe ostdeutscher Unions-Bundestagsabgeordneter will daher lieber den Status quo beibehalten.
Ist das der einzige Pferdefuß?
Nein. Der größte Haken der Reform sind die Kosten. 2018 und 2019 werden jeweils 1,8 Milliarden Euro fällig. Im Jahr 2020 dürften es 3,9 Milliarden Euro sein. Von dann ab könnte die jährliche Summe noch über vier Milliarden Euro steigen, bevor sie mittelfristig schrumpft. „Nach meiner Auffassung muss das der Bund tragen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagt Nahles.
Also öffnet Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Schatulle?
So einfach ist das nicht. Schäuble hat bislang nicht zugestimmt und dürfte alles andere als begeistert sein. Wahrscheinlich versucht er, die Kosten den Rentenkassen aufzubürden. Oder er schlägt eine Streckung der Anpassung über 2020 hinaus vor. Beides lehnt Nahles ab.
Kommt die Renteneinheit denn nun wirklich?
Das lässt sich heute nicht abschließend beantworten. Nahles ist entschlossen, das Projekt voranzutreiben und nimmt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Mitverantwortung. Am 31. August könnte das Kabinett beraten, zum 1. Juli 2017 könnte das Gesetz in Kraft treten. Alles hängt nun davon ab, ob die Unions-Fraktion und der Finanzminister mitspielen.