Auch die Katholiken in Nordirland zollen der Queen Respekt

Der Tod von Queen Elizabeth II. trifft auch die Menschen in Nordirland. Doch die Einheit in der Trauer dürfte eine Momentaufnahme sein.

Blumen und Trauerkarten am Tor von Hillsborough Castle, südwestlich von Belfast.
Blumen und Trauerkarten am Tor von Hillsborough Castle, südwestlich von Belfast.AFP

Der sozialdemokratische Lokalpolitiker Pete Byrne sucht nach den richtigen Worten für seine persönlichen Gefühle nach dem Tod der Queen. Byrne sitzt für die nationalistische und pro-irische Partei SDLP im Regionalrat des Distrikts Newry, Mourne and Down an der Grenze zur Republik Irland. Die britische Armee nannte den Landstrich vor dem Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 „Banditenland“.

Die Untergrundkämpfer der IRA bewegten sich während des Bürgerkriegs nach 1969 frei unter der katholischen Bevölkerung in den Grenzorten. Sie hingen in Byrnes Heimatstadt Crossmaglen Schilder auf, die Zivilsten vor ihren Heckenschützen warnten. Die britischen Soldaten durchstreiften in dem Distrikt Feindesland, immer auf der Hut vor einem Hinterhalt der IRA.

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Byrnes wägt seine Sätze ab. Er äußert zunächst Sympathie für jene in Nordirland, die Queen Elizabeth II. als ihr Staatsoberhaupt betrachtet und verehrt haben, die protestantischen Unionisten. Dann meint Byrnes, er trenne zwischen der Person der Königin und der Institution der britischen Monarchie. „Die Queen war von so viel Pflichtbewusstsein erfüllt. Das kann man nur bewundern“, sagt er. 

Zweifel am Überleben der Monarchie

Die britische Monarchie hält der Katholik hingegen für ein Relikt aus der Vergangenheit. „Wir werden sehen, ob die Menschen die ganzen Zeremonien bei der Krönung von Charles zum König noch für so zeitgemäß halten wie 1952“, meint er. Elizabeth bestieg den britischen Thron vor 70 Jahren.

Byrnes mildes Urteil über das Staatsoberhaupt des von pro-irischen Katholiken als Besatzungsmacht geschmähten Großbritanniens hängt auch mit der Rolle der Queen im Friedensprozess nach 1998 zusammen. Er erinnert an den Besuch der Monarchin in der Republik Irland 2011. Damals sprach sie die irischen Parlamentarier auf Gälisch an und besuchte ein Denkmal für Opfer eines britischen Massakers während des irischen Unabhängigkeitskrieges von 1919 bis 1921. 

Queen schüttelte IRA-Chef die Hand

Ein Jahr später erstaunte die Queen nicht nur die Katholiken in Nordirland. Sie reichte in Belfast dem ehemaligen IRA-Anführer Martin McGuiness die Hand. Fotos zeigen eine strahlende Monarchin und einem schüchtern lächelnden ehemaligen Paramilitär.

Was der Queen bei diesem Handschlag wirklich durch den Kopf ging, blieb ihr königliches Geheimnis. Die IRA sprengte 1979 den Onkel ihres Mannes Prinz Philip, Lord Mountbatten, auf seinem Boot vor der Küste Irlands in die Luft. McGuiness war in dieser Zeit Stabschef der IRA. 

Republikaner halten sich zurück

Vielleicht ist es diese Geste, die Irlands radikale Nationalisten, die Republikaner, bisher zumindest weitgehend von Jubelfeiern abhält. Der Lokalpolitiker Byrne spricht vom „stillen Respekt“ aller politischen Lager unter Nordirlands Katholiken. „Ich habe nur warme Worte über die Queen gehört. Es gibt vielleicht eine Minderheit, die sich anders äußert“, sagt er.

Byrne sieht mit dem Tod Elizabeth II. eine Ära am Ende. „Sie stand für Stabilität“, sagt er. Großbritannien und Nordirland sehen dagegen unruhigen Zeiten entgegen. Gerade erst ist mit Liz Truss eine Hardlinerin in der Frage des Nordirlands-Protokolls Premierministerin geworden. Sie lehnt die Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs ab. Die Regelung soll eine Grenze ohne Kontrollen zwischen Nordirland und der Republik Irland nach dem EU-Austritt Großbritanniens ermöglichen, die das Karfreitagsabkommen von 1998 vorsah. 

Der Frieden ist in Gefahr

Eine Schließung der inneririschen Grenze könnte den Friedensprozess gefährden, warnen Dublin, Brüssel und auch die US-Regierung. 

Für die pro-britischen Unionisten ist der Tod der Königin ein schwerer Schlag. Ihre Identität beruhte in den vergangenen Jahrzehnten auf der Identifikation mit der britischen Monarchie. Es sind auch radikale Unionisten, die zum Teil mit der Androhung von Gewalt gegen das Nordirland-Protokoll zu Felde ziehen. 

Schwierige Zeit für Nordirlands Unionisten

Könnte die neue Ära ohne die Queen den Anhängern einer irischen Wiedervereinigung nützen? Das Vereinigte Königreich und Nordirlands Unionisten haben nach dem Tod der Monarchin Anker und Bezugsfigur verloren. Fliehkräfte sind seit Jahren auch in Schottland am Werk. Dort strebt die Regierung ein neues Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands an. Der katholische Politiker Peter Byrne hütet sich vor Spekulationen. „Jetzt ist nicht die Zeit, um über Politik zu sprechen“, sagt er. Wie sich Großbritannien künftig sortiert, werde man sehen.