Außenminister Heiko Maas beißt beim Iran-Abkommen auf Granit
Washington - Es ist halb Zwölf am Mittag, als Heiko Maas das Weiße Haus verlässt. Deutlich später als erwartet, aber immerhin 30 Minuten vor High Noon. Die Gewitterwolken, die sich am Vortag während der ersten Pressekonferenz des Außenministers über Washington entluden, haben sich am Mittwoch verzogen.
Aber die Miene des Saarländers ist ernst. Nach wenigen Höflichkeitsfloskeln kommt er gleich zur Sache: „Wir machen uns durchaus Sorgen um das transatlantische Verhältnis.“
„Um Irans Bombe zu stoppen, muss man den Iran bombardieren“
Dazu besteht reichlich Anlass nach der einseitigen Kündigung des Iran-Abkommens und die Androhung von Strafzöllen gegen die Europäer durch die USA. Und ganz offensichtlich sind diese Sorgen während des Gespräches von Maas mit John Bolton, dem neuen Sicherheitsberater von Donald Trump, nicht kleiner geworden. Der Mann mit dem markanten Schnauzbart gilt in Washington als schärfster Hardliner in der Umgebung des Präsidenten.
Er fordert seit langem einen Militärschlag gegen den Iran: „Um Irans Bombe zu stoppen, muss man den Iran bombardieren“, forderte er 2015. Wie Trump ist er der Überzeugung, dass mit maximalem Druck auf internationaler Ebene die besten Ergebnisse erzielt werden können.
Riss im transatlantischen Verhältnis
Das glauben die Europäer ganz und gar nicht, die den Abschluss des Iran-Deals vor gut zwei Jahren als riesigen diplomatischen Erfolg gefeiert haben: Für den Verzicht auf die Atombombe sollten die Mullahs wirtschaftliche Erleichterungen erfahren.
„Ich habe die deutsche und europäische Position sehr deutlich gemacht und dass wir in dem Abkommen bleiben werden“, berichtet Maas über sein Gespräch. Dass er Bolton überzeugen könnte, hatte er wohl selbst nicht geglaubt. „Es war gut und wichtig, dass wir uns in aller Klarheit ausgetauscht haben“, urteilt er.
Damit ist der Riss im transatlantischen Verhältnis ziemlich offen beschrieben. „Es ist gut, in Washington zu sein“, hat Maas nach seiner Ankunft am Vortag vor dem Kapitol gesagt: „Gerade in Zeiten, in denen der Atlantik breiter und rauher geworden ist.“ Ein Regenschirm schützte ihn gegen die Fluten eines Sommergewitters. „London Fog“ (Londoner Nebel) stand auf dem Regenschutz. Da spürte man förmlich, dass irgendetwas nicht stimmte.
Eine der schärfsten Kritikerinnen von Donald Trump
Schon am ersten Tag seines Besuches konnte sich Maas ein Bild von den neuen Verhältnissen machen. Im Kongress traf er Nancy Pelosi, die demokratische Fraktionsvorsitzende im Repräsentantenhaus, und Bob Corker, den republikanischen Vorsitzenden des Auswärtigen Senats-Ausschusses, zum Meinungsaustausch.
Pelosi ist eine der schärfsten Kritikerinnen von Donald Trump, und Corker sagte vor ein paar Monaten, der Mann im Weißen Haus brauche eine Tagesbetreuung. Doch Pelosi dürfte auch nach den Parlamentswahlen im Herbst zur Minderheit gehören, und Corker tritt erst gar nicht wieder an.
Kontaktaufnahme und der Austausch von Meinungen
Lange hat die Bundesregierung nach Ansprechpartner in Washington gesucht, die eine Brücke zum unberechenbaren Präsidenten bauen oder diesen – so die optimistische Vorstellung – gar zähmen könnten. Kanzlerin Angela Merkel umwarb Trumps Tochter Ivanka, die sich tatsächlich vor allem um ihre Geschäfte kümmert und kaum Einfluss zu haben scheint.
Ex-Außenminister Sigmar Gabriel setzte auf seinen Kollegen Rex Tillerson und Sicherheitsberater Raymond McMaster. Beide wollten am Iran-Abkommen festhalten und wurden inzwischen aus dem Amt gedrängt. Nun hat man es mit den Hardlinern Bolton und Mike Pompeo zu tun.
So geht es Maas vor allem um Kontaktaufnahme und den Austausch von Meinungen. Er schüttelt Hände, lächelt, sitzt mittags in der Botschaft mit Vertretern der Denkfabriken zusammen und hört sich an, wie die Experten die Situation einschätzen. Zum Ende seines zweitägigen Besuches wird er am Mittwoch den neuen Außenminister Pompeo treffen. Der Ex-CIA-Boss hat Anfang der Woche dem Mullah-Regime die härtesten Sanktionen aller Zeiten angedroht und unmissverständlich klargemacht, dass er von den Europäern politische Gefolgschaft erwartet.
Ein erfreuliches Gespräch steht Maas also kaum bevor, als er sich am Nachmittag auf den Weg ins State Department macht. „Die Beziehungen zu den USA sind einem Wandel unterworfen“, hat er bei seiner Ankunft diplomatisch formuliert. Nun sagt er: „Wir brauchen einander. Selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, darf das nicht zu Schäden im transatlantischen Verhältnis führen.“ Es klingt wie eine Beschwörung. Und tatsächlich setzt Maas leise hinzu: „Das ist im Moment nicht so einfach.“